Land-Atmosphären-Forschung

Verbessertes Frühwarnsystem für Megastürme entwickelt

Erreicht ein Sturm eine Ausdehnung von hundert Kilometern, spricht die Wissenschaft von einem mesoskaligen konvektiven System.
Erreicht ein Sturm eine Ausdehnung von hundert Kilometern, spricht die Wissenschaft von einem mesoskaligen konvektiven System. imago images/Bernd März
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Kombiniert man die Oberflächentemperaturen des Bodens mit Satellitendaten zur Wolkenbedeckung und der Wetterstatistik der vergangenen Jahre, kann der Verlauf heftigster Stürme, wie sie etwa typisch für die Regenzeit im Sahel sind, vorhergesagt werden.

Anfang der Woche rief der senegalesische Präsident, Macky Sall, den Katastrophenzustand in einigen Landesteilen aus. Starke Regenfälle hatten zu weitreichenden Überschwemmungen mit mehreren Todesopfern geführt. Manche Gebiete registrierten innerhalb von 24 Stunden Niederschlagsmengen von 200 Litern pro Quadratmeter. Die Regierung habe zu langsam reagiert, so der Vorwurf aus vielen betroffenen Regionen.

Erreicht ein Sturm eine Ausdehnung von hundert Kilometern, spricht die Wissenschaft von einem mesoskaligen konvektiven System (MCS) – Gewitter, die oft als Megastürme Schlagzeilen machen. Diese sind typisch für tropische und außertropische Regionen in Afrika, Australien, Amerika und Asien – dort, wo feuchte Luftmassen auf trockenere warme Luftmassen stoßen. „Ein Megasturm kann aber durchaus die Größe Tirols und darüber hinaus erreichen“, erklärt Cornelia Klein vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Uni Innsbruck und vom britischen Zentrum für Ökologie und Hydrologie. „Auch Dimensionen von bis zu 250.000 Quadratkilometern kommen vor.“ Megastürme dauern mitunter einige Tage lang und gehen mit heftigen Niederschlägen sowie Winden einher. Die dabei freigesetzte Energie entspricht dem österreichischen Stromverbrauch für vier Jahre. Seit Mitte der 1980er-Jahre haben sich in der Übergangszone zwischen Sahara-Wüste und Feuchtsavanne solche extremen Stürme aufgrund der globalen Erwärmung verdreifacht.

Sechs Stunden Vorsprung

Auch wenn der Aufbau solcher Wetterereignisse den Gewitterstürmen in Österreich mit einem extrem regenintensiven Zentrum – konvektiver Niederschlag, der durch starke vertikale Luftbewegungen entsteht – und nachfolgendem leichteren, aber langanhaltenden Regen – stratiformer Niederschlag – nicht unähnlich ist, ist ihre Größe und Dauer in Europa kaum vorstellbar. In Westafrika sind Stürme dieser Art, die sich über Tausende von Kilometern fortbewegen können, hingegen typisch für die Regensaison (Westafrikanischer Monsun). In der Zeit von Juni bis September, während des Monsuns, gibt es fast ausschließlich mesoskalige Sturmfronten, die in manchen Regionen alle drei Tage auftreten können.

Gemeinsam mit einem internationalen Team hat Klein diese Megastürme in der afrikanischen Sahelzone nicht nur untersucht, sondern auch ein Frühwarnsystem dafür entwickelt (PNAS, 1. 9.). Damit sollen die Menschen in den betroffenen Gebieten um bis zu sechs Stunden vor Eintreffen eines Megasturms gewarnt werden. „Wir in Österreich haben zum Beispiel ein sehr dichtes Niederschlagsradarsystem, dank dem wir in Echtzeit sehen können, wie sich Regen bewegt“, erklärt Klein. „In Westafrika sind aber noch keine verlässlichen Frühwarnsysteme implementiert.“ Deshalb nutzte ihr Team für das neue Prognosemodell Satellitendaten, um Stürme in Echtzeit verfolgen zu können. Anhand von Bildern der Wolkenbedeckung können Stürme und ihre Bewegung identifiziert werden. Der großskalige Wind in der Atmosphäre gibt die Hauptrichtung vor.

Trockene Böden erhöhen die Intensität von Stürmen (im Bild: Kaffrine, Senegal).
Trockene Böden erhöhen die Intensität von Stürmen (im Bild: Kaffrine, Senegal).Cornelia Klein

Aber um genauer vorhersagen zu können, welche Richtung die Gewitterfront ganz genau einschlägt, oder ob sie sich aufspaltet bzw. auflöst, greifen die Forscherinnen und Forscher auf Daten zum Zustand des Bodens zurück. Ist dieser feucht oder trocken bzw. warm oder kühl, so wirkt sich das entsprechend auf die Luft darüber aus. Klein: „Die Bodenbeschaffenheit hat einen Einfluss darauf, wo sich solche Stürme entwickeln und wie wahrscheinlich es ist, dass sie sich über ein Gebiet hinwegbewegen.“ Eine Schwierigkeit dabei stellte das Lokalisieren jenes Teils eines Sturms dar, der tatsächlich mit der Landoberfläche (konvektiver Teil) interagiert. In ihre Berechnungen fließen auch Statistiken zu Stürmen der vergangenen zehn Jahre mit ein.

Mit Unterstützung von meteorologischen Diensten vor Ort, etwa der Agence Nationale de l'Aviation Civile et de la Météorologie im Senegal, werden die Berechnungen von Kleins Team nun in bestehende Vorhersagemodelle integriert. Ob das Frühwarnsystem auch in der Praxis funktioniert und für die Evakuierung oder Bereitstellung von Hilfskräften sinnvoll ist, soll in der nächsten Regensaison getestet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2020)

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