Migrationskrise

Gescheiterte EU-Flüchtlingspolitik: "Sebastian Kurz ist der Missetäter"

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Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn meint vor dem Hintergrund der Brände im griechischen Migrantenlager Moria, Österreichs Kanzler habe die „erbärmliche Situation als Allererster zu verantworten".

Luxemburgs Außenminister, Jean Asselborn, macht vor dem Hintergrund der zerstörerischen Feuer im griechischen Migrantenlager Moria und der seither anhaltenden chotischen Zustände samt Gewalttaten dort  Österreichs Bundeskanzler, Sebastian Kurz, persönlich für das Scheitern der europäischen Flüchtlingspolitik verantwortlich: "Für mich heißt der Missetäter Sebastian Kurz. Er hat diese erbärmliche Situation als Allererster zu verantworten", sagte Asselborn dem deutschen Magazin "Der Spiegel" laut einer Vorausmeldung vom Freitag.

"Ganz Europa ging Kurz' Gerede auf dem Leim, man müsse nur die Grenzen schließen, damit sich das Flüchtlingsproblem erledige", kritisierte der 71-jährige Sozialist. Zudem habe Österreich "ausgerechnet, als es die EU-Ratspräsidentschaft innehatte", den UNO-Migrationspakt abgelehnt.

Als er, Asselborn, bei einem Treffen der EU-Innenminister im März vorschlug, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus dem griechischen Insel-Camp Moria und anderen Lagern in der EU zu verteilen, habe Österreich ablehnend reagiert. Der Vertreter Österreichs habe damals gesagt, man werde keine Jugendlichen aufnehmen, "sondern Container auf die Insel schicken, Toiletten also", erinnert sich Asselborn.

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Der nicht ganz unumstrittene Luxemburger sieht nun vor allem die deutsche Kommissionschefin, Ursula von der Leyen, gefordert: "Es ist an der Zeit, dass die Kommissionschefin alle Hebel in Bewegung setzt, um auch jene zwei Drittel der EU-Länder, die immer noch so tun, als gingen sie die Flüchtlinge an Europas Haustür nichts an, dazu zu bringen, sich solidarisch zu zeigen", forderte er. Europa bleibe "krank, solange es aus der Flüchtlingskrise keinen Ausweg gefunden hat", meinte Asselborn.

ÖVP weist Kritik zurück

Auf die scharfe Kritik hat der Außenpolitik- und Sicherheitssprecher der ÖVP im Europaparlament, Lukas Mandl, mit dem Vorwurf des "Österreich-Bashings" reagiert. "Täglich grüßt das Murmeltier", schrieb Mandl am Freitag auf Twitter:

"Asselborn wieder mit völlig irrationalem Österreich-Bashing. Schade, wir sollten in Europa anders miteinander umgehen, gemeinsam menschen- & sachgerechte Lösungen suchen und umsetzen", erklärte er.

Von Insassen angezündet

Das Camp Moria auf der Insel Lesbos war mit 12.000 bis 13.000 Menschen um ein Vielfaches überfüllt; vor wenigen Tagen wurde es durch ein Feuer weitgehend zerstört, das nach griechischen Angaben von Lagerinsassen gelegt worden ist, ob absichtlich oder aus Fahrlässigkeit, ist indes unklar. Seither herrschen auf der Insel chaotische Zustände, die Migranten und Flüchtlinge schlafen im Freien und ziehen umher, einige wurden beobachtet, wie sie intakte Teile des Lagers, Felder und Haine anzündeten.

Bewohner blockieren die Gegend um das Lager und versuchen, die Menschen abzuhalten. Die Bürger sind aufgebracht. Viele, darunter fast alle Bürgermeister von Lesbos, wollen nach dem Brand in Moria keine Migranten mehr auf der Insel haben. "Sie müssen alle weg. Kein Lager mehr auf Lesbos", sagte der Gouverneur der Region Nordägäis, Kostas Moutzouris, im Fernsehen. Angst herrscht auch, weil mindestens drei Dutzend Migranten positiv auf Corona getestet worden waren und die Bevölkerung einen unkontrollierten Ausbruch des Virus befürchten.

Militär und Polizei wurden auf die Insel verlegt, ein provisorisches Zeltlager wird gebaut, Obdachlose werden auch auf Schiffen untergebracht. Am Freitag hieß es, dass zehn EU-Länder etwa 400 unbegleitete Minderjährige aus Moria aufnehmen werden, rund die Hälfte davon durch Deutschland und Frankreich. Österreich macht nicht mit.

APA/AFP/LOUISA GOULIAMAKI

Zahlreiche vor allem linke Politiker, Gewerkschafter, NGOs und Kirchenvertreter fordern eine Entlastung Griechenlands durch eine raschere Übernahme von Migranten, die dort gestrandet sind, besonders hinsichtlich junger Leute und Frauen. Einige NGOs fordern sogar wieder „no borders".

Dagegen wird gehalten, dass eine Öffnung nur weitere Migranten, von denen letztlich die wenigsten Asyl bekommen würden, anziehen würde, und dass man sich Brandstiftungen ohnehin nicht beugen dürfe. Österreichs Innenminister, Karl Nehammer (ÖVP), etwa hatte am Mittwoch gesagt, dass „gewaltbereite Migranten keine Chance auf Asyl in Europa haben."

(APA/ag./red.)

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