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Es scheint, als ob der Roman, diese multiple Supergattung, alle anderen Gattungen verschlungen hat. Mutmaßungen über das Verschwinden epischer Kleinformen.

Es gab eine Zeit, da es für einen Autor oder eine Autorin zum guten Ton gehörte, sich in allen – möglichen – literarischen Gattungen zu bewähren. Dass jemand wie noch Handke oder Jelinek ein Werk vorlegt, das Dramen, Novellen, Gedichte und Romane umfasst, ist selten geworden. Stattdessen lauschen wir theatralisierten und gekürzten Romanen auf der Bühne. Lyrik ist – von Ausnahmen abgesehen – ohnehin außer Reichweite literarischer Aufmerksamkeit geraten. Der Kurswert dichter Prosawerke ist dramatisch gesunken, in ihrer Bedeutung sind sie hinter autobiografische Formate und Interviews zurückgefallen. Keine guten Zeiten für jene, deren Talent in der kleinen verdichteten Form liegt. Was man zugegeben etwas unzulässig als Haiku der Prosa bezeichnen könnte, ist vom Radarschirm einer Literaturkritik verschwunden, die allzu oft und im Einklang mit dem Verlagsbetrieb dem vermeintlichen ästhetischen Zeitgeist hinterherschwänzelt. Es scheint, als ob der Roman, diese multiple Supergattung, alle anderen verschlungen hat.

Es lohnt sich, das Verschwinden der Erzählungen und der Prosaminiaturen genauer unter die Lupe zu nehmen. Viele Autorinnen und Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts haben die kleine Form des Erzählens geschätzt, vielen von ihnen hat die scheinbar schlichte Form des Erzählens literarische Reputation verschafft: Balzac, Maupassant, Tschechow, Leskow oder Puschkin, um nur einige Beispiele zu nennen. Das literarische Werk von Edgar Allan Poe lebt nur vom verknappten Format des Erzählens. Die Kurzgeschichte nach 1945 von Salinger bis Böll oder das erzählerische Werk von Bachmann sind weitere Beispiele für das Potenzial der komprimierten Prosa.

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