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Wenn Football-Stars zu Buhmännern werden

In einer gemeinsamen Geste gegen Rassismus und Polizeigewalt hatten sich die Teams zuvor nach Absprache zusammengetan.
In einer gemeinsamen Geste gegen Rassismus und Polizeigewalt hatten sich die Teams zuvor nach Absprache zusammengetan.USA TODAY Sports
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Der Auftakt der Nation Football League wurde in Kansas City von sehr seltenen Fan-Protesten begleitet, die Spieler wurden von den eigenen Zuschauern ausgebuht. Die Houston Texans blieben bei der Hymne in der Kabine.

Kansas City. Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wurden Sportler anfangs dafür gefeiert und bewundert, dass sie nach Jahrzehnten des Schweigens beginnen mit stillen Protesten gegen Rassendiskriminierung und Polizeigewalt (Stichwort: Black Lives Matter), so fand dieser Zuspruch zum Auftakt der National Football League neue Beachtung.

Mit drei Touchdown-Pässen und einem ungefährdeten Sieg des Titelverteidigers Kansas City Chiefs (34:20 gegen Houston) war die sportliche Botschaft von Superstar-Quarterback Patrick Mahomes klar; ebenso unmissverständlich war auch das Signal an die USA als Land – und dennoch gespalten.

In einer gemeinsamen Geste gegen Rassismus und Polizeigewalt hatten sich die Teams zuvor nach Absprache zusammengetan. Beide Mannschaften trafen sich vor dem Beginn in der Mitte des Spielfelds, die Footballer hakten sich ein und schwiegen gemeinsam. Auf der Anzeigetafel des Arrowhead-Stadions waren währenddessen sieben Sätze zu lesen. Etwa: „Wir müssen Rassismus beenden!“ Oder: „Polizeigewalt muss enden!“

Für Empörung in sozialen Netzwerken sorgten dann unüberhörbare Buh-Rufe von 16.000 Zuschauern. 22 Prozent der Stadionkapazität sind in Kansas City erlaubt Stadion während der Corona-Pandemie. Die überwiegende Mehrheit aller NFL-Teams verzichtet bis mindestens Mitte Oktober auf Zuschauer. Waren es aber Proteste gegen die Proteste, also gegen die Spieler? Oder ging alles erst los, als der Ruf „Trump 2020“ zu hören war? Unmittelbar danach starteten jedenfalls die Buh-Rufe. Später wurden die Rufe in sozialen Netzwerken jedenfalls als Antwort auf die Aktion der Spieler gerichtet.

„Den Moment der Einigkeit fand ich gut. Die Buh-Rufe während dieses Moments waren bedauerlich“, sagte Houstons Defensivspieler J.J. Watt. „Ich verstehe das nicht ganz. Es war keine Flagge im Spiel. Es ging um nichts anderes, als dass zwei Teams zusammenkamen, um Einigkeit zu zeigen.“ Die Texaner waren während der Nationalhymne noch in der Kabine geblieben. Als sie ins Stadion kamen, hallten erneut Buh-Rufe auf. Beim Lied „Lift ev'ry voice and sing“, es gilt als Hymne von Afroamerikanern und wird vor allen Partien des ersten Spieltags gespielt, waren die Texans ebenfalls in der Kabine geblieben.

„Bei all dem, was in diesem Land los ist, wollten wir zeigen, dass wir als Liga vereint sind und wir uns vom Footballspielen nicht ablenken lassen davon, was wir tun, um diese Welt zu verändern“, sagte jedenfalls Quarterback-Superstar Patrick Mahomes.

Die Miami Dolphins, die wie die meisten anderen Teams erst am Sonntag in die Saison starten, werden für die beiden Hymnen ebenfalls in der Kabine bleiben. Das kündigten die Spieler in einem am Donnerstag veröffentlichten Video an. „Wir brauchen veränderte Herzen, nicht nur eine Reaktion auf Druck. Es reicht, keine Flusen und leere Gesten mehr. Wir brauchen Besitzer mit Einfluss und größeren Geldbeuteln als den unseren, die Amtsträger anrufen und politische Macht nutzen.“

Nach monatelangen Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA und klaren Aussagen aus anderen Ligen wie der NBA (Basketball) oder der NHL (Eishockey) war das Verhalten der NFL-Profis mit Spannung erwartet worden. Colin Kaepernick hatte 2016 als damaliger Quarterback der San Francisco 49ers mit dem Hymnen-Protest begonnen. Damals war der Pionier von Liga-Boss Roger Goodell harsch kritisiert worden. Inzwischen bedauert Goodell, nicht schon früher auf das Anliegen Kaepernicks gehört zu haben. Trump ächtete Spieler, Teams und Liga. Der Afroamerikaner ist seit 2017 ohne Job in der NFL – die Karriere ist vorbei. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2020)

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