Bühne

Politisches Theater, poetisch verpackt

Prototypen wie aus einem Computerspiel und ein unheimlicher Kinderchor: Thomas Köcks „die dritte republik“ in Graz.
Prototypen wie aus einem Computerspiel und ein unheimlicher Kinderchor: Thomas Köcks „die dritte republik“ in Graz.Schauspielhaus Graz / Lex Karelly
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Im Grazer Schauspielhaus hat Anita Vulesica Thomas Köcks ideenreiche, apokalyptische Farce »die dritte republik« liebevoll und mit Empathie inszeniert. Der Text hätte indes präziser einstudiert gehört. Das lebendige Ensemble begeistert.

Alles wiederholt sich!“, „Liebe und Faschismus!“: Das ist ein Refrain aus „die dritte republik“ vom oberösterreichischen Dramatiker Thomas Köck. Der Titel des Stücks bezieht sich auf Jörg Haiders Buch „Die Freiheit, die ich meine. Das Ende des Proporzstaates“, in dem, grob gesagt, die Demontierung von Säulen der Demokratie (Parteien, Sozialpartnerschaft) gefordert wird. Nun, das ist lang her, 1993, aber die politische Rechte ist seither generell stärker und radikaler geworden.

Köck verpackt seine Gesellschaftskritik in postmoderne Poesie. Sein Drama, das seit Freitagabend im Grazer Schauspielhaus zu sehen ist, bedient sich bei Ewald Palmetshofer, Elfriede Jelinek, Thomas Bernhard und Peter Handke. Von Letzterem könnte eine der Hauptfiguren stammen, die Landvermesserin (Katrija Lehmann). Nach dem Zusammenbruch der Monarchie soll sie die Grenzen neu vermessen. Sie scheitert in einem apokalyptischen Szenario, in dem Prototypen herumirren, Avatare, die sich an kaputte Rollenbilder klammern: Ein Kutscher ohne Pferde (Werner Strenger) hofft auf Hilfe der Doktorin für erblindete Soldaten. Dass die Landvermesserin keine Ärztin ist, ignoriert er stur.

Eine Fallschirmspringerin (Evamaria Salcher), auch sie verlor ihr Augenlicht, schwebt vom Schnürboden herab und beklagt immer neu gezogene Grenzen, die sogar Piloten verwirren. Ein Patient (Lukas Walcher), der aussieht wie ein Außerirdischer, freut sich, wieder in Topform zu sein – man kann es nicht glauben, er wirkt wie ein Gespenst. Schließlich erscheint ein Reeder in bizarrem Rokoko-Kostüm (Frieder Langenberger), der offenbar signalisieren soll, dass nicht einmal vor dem Meer der Einteilungswahn des Menschen halt macht – mit allem Leid, das dadurch entsteht, Krieg, Flucht.

„die dritte republik“ ist der anarchische Trompetenstoß einer Generation, die fürchtet, dass ihre Lebensgrundlagen zerstört werden. Das Stück war eine mutige Wahl der Grazer Intendantin Iris Laufenberg, die eine kurze Einführung hielt und sich freute, dass wieder gespielt werden kann, wenn auch coronabedingt vor stark reduziertem Publikum. Ob die Abonnenten diesen originellen Theaterirrsinn mögen werden? Man wird sehen. Bei der Premiere gab es einige Lacher, vielleicht von Angehörigen des Ensembles.

Sicher ist, das Werk ist fantasievoll und hat Substanz. Bei manchem Unsinn, der darin verbreitet wird, stehen einem allerdings die Haare zu Berge: „Muss ich ertragen, dass die Gewalt Europas ewig unbezwinglich ist?“ Da kann man nur sagen: „Lieber Köck, übersiedle doch mal kurz nach China, Russland oder Tschetschenien.“ In Europa mag manches nicht in Ordnung sein, aber insgesamt ist die EU doch wohl eines der gelungensten Experimente in der Geschichte dieser Welt. Die linke Nabelbeschau hat schon manchmal etwas Irritierendes.

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