Burgtheater

Ein Albtraum im Kohlenkeller

Ein schwarzer Prinz mit Damenbegleitung: Franz Pätzold als Sigismund, Julia Riedler als Rosaura.
Ein schwarzer Prinz mit Damenbegleitung: Franz Pätzold als Sigismund, Julia Riedler als Rosaura.Andreas Pohlmann
  • Drucken

Martin Kušej inszenierte zur Saisoneröffnung am Burgtheater Calderóns »Das Leben ein Traum«. Ein dunkles Machtspiel mit großartigen Momenten, aber auch Strecken voller Fadesse.

Zu den ungeschriebenen Postulaten aktueller Burgtheater-Philosophie zählt, dass potenziell gewalttätige polnische Prinzen aus barocken spanischen Stücken in den Kohlenkeller gesperrt werden. Das passt gut zu unserem Land, mit einer ähnlichen Geschichte geriet es vor wenigen Jahren weltweit in die Schlagzeilen. Martin Kušej, seit dem Vorjahr Direktor an der Burg, hat sich zur Eröffnung seiner zweiten Saison bei der Inszenierung von Pedro Calderón de la Barcas „La vida es sueño“ auf das Dunkle dieses Stücks konzentriert.

Kušejs Interpretation von „Das Leben ein Traum“ (Deutsch von Soeren Voima) entlarvt Machtmechanismen mittels Dystopie. Der Stimmung nach könnte diese Aufführung als Zombiethriller durchgehen. Vom gegenreformatorischen Lehrstück, das diese „Comedia“ ebenfalls ist, von den Elementen, die Bedrohliches aufhellen, bleibt wenig übrig. Fazit nach der Premiere am Freitag, vor einem für Coronabedingungen gut gefüllten Haus, mit (den Umständen nach) ausgelassen applaudierendem Publikum: In mehr als drei Stunden gab es großartige Momente, aber auch längere Strecken voll Fadesse und Verkrampftheit. Eine gediegene, spukhafte, durchwachsene Arbeit.

Wovon handelt das während des Dreißigjährigen Krieges verfasste Drama des Madrider Adeligen? Die Vorgeschichte: Basilius (Norman Hacker), König von Polen, glaubt an die Deutungshoheit der Sterne. Sie sagen für seinen Sohn Sigismund (Franz Pätzold) Böses voraus. Die Mutter stirbt bei der Geburt. Aus Angst, dass der Sohn, wie prophezeit, zum Tyrannen wird, lässt ihn der Vater in einen Turm sperren. Der Adelige Clotald (Roland Koch) dient ihm als Lehrer.
Die Jahre vergehen. Da besinnt sich der König, gibt dem Nachwuchs eine Chance. Sigismund wird in Schlaf versetzt und ins Schloss gebracht. Man will sehen, ob er sich an einem einzigen Tag als König bewähren könnte. Andernfalls würde er wieder betäubt und in den Turm gebracht. Der Tag als Herrscher und in Freiheit soll ihm gnädig nur als Traum erscheinen. Er versagt, erweist sich als mordlustiges, lüsternes Tier, muss zurück in die Haft. Doch aufgebrachtes Volk befreit ihn.

Hochzeiten und Todesfälle. Sigismund nutzt die zweite Chance, gewinnt eine Schlacht, um geläutert den Thron des Vaters einzunehmen. Nebenhandlungen lösen sich fast harmonisch auf. Subalterne sterben zwar, aber ganz oben in der Hierarchie gibt es versöhnliche und vernünftige Heiraten. Sigismund nimmt seine Cousine Estrella (Andrea Wenzl) zur Frau, die anfangs seinem Cousin, dem zur Nachfolge vorgesehenen Moskauer Herzog Astolf (Johannes Zirner), versprochen gewesen ist. Dieser heiratet Clotalds Tochter Rosaura (Julia Riedler), die er zuvor in der Fremde entehrt hat und die als Mann verkleidet nach Polen gekommen ist, um sich an ihm zu rächen.

Mit der Ankunft Rosauras und ihres Dieners Clarin (Tim Werths) beim Turm in einer unwegsamen Bergschlucht setzt auch das Stück ein. Wie verortet Kušej diese Szene? Im Keller. Schwarz ist das Bühnenbild von Annette Murschetz, umsäumt nur von einem Neonrahmen. Aus dem Dunkel ein Prolog, von Riedler gesprochen. Am Ende hat sie auch noch einen Epilog. Der Fremdtext ist aus Pier Paolo Pasolinis „Calderón“. Pferdegetrappel, Wummern, bedrohliche Töne, dann und wann Geschrei – die übliche Musik von Bert Wrede. In welchem Film sind wir? In „Herr der Ringe“oder in „Terminator“? Nein, in einem Keller in Polen. Aus einer Luke oben strömt ein Berg von Briketts, ein Video täuscht vor, dass sie sich noch bewegen. Es könnten auch verbrannte Ziegel sein. Zuweilen dokumentieren weitere Videos Zerstörung, dazwischen Wälder in Schwarzweiß oder als Negativ.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.