Österreich

Integrationsturbo Ehrenamt?

Pavla Spasevski engagiert sich freiwillig bei der Caritas. Hier habe sie das „offene Herz“ der Österreicher kennengelernt.
Pavla Spasevski engagiert sich freiwillig bei der Caritas. Hier habe sie das „offene Herz“ der Österreicher kennengelernt.Eugénie Sophie
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Integrationsministerin Susanne Raab will das freiwillige Engagement von Migranten forcieren. In vielen Organisationen ist dies bereits gelebte Praxis – und die hilft, Ressentiments auf beiden Seiten abzubauen.

Der Kaffee danach sei das Wichtigste. Deswegen informiert sich Pavla Spasevski bereits vor jedem Ausflug, wie weit es bis zum nächsten Kaffeehaus ist. Spasevski ist freiwillige Mitarbeiterin der Caritas. Einmal im Monat holt sie eine kleine Gruppe von Menschen mit Behinderung aus deren betreuter WG ab, um mit ihnen einen Nachmittag zu verbringen. „Wir waren schon im Haus der Musik, im Hundertwasserhaus, Minigolf spielen, im Kino.“ Der letzte Ausflug ging ins Kindermuseum Schönbrunn und zur abschließenden Sachertorte ins Schlosscafé mit Blick über den großen Ehrenhof. Das sei im März gewesen. Seitdem ist coronabedingt Pause. „Abstand halten ist unmöglich. Immer will dich wer umarmen.“

Spasevski vermisst die Ausflüge. Genauso wie ihren Freiwilligen-Partner Christoph, mit dem sie seit einiger Zeit zusammen unterwegs ist, um auch größere Gruppen betreuen zu können. „Er hat auch Migrationshintergrund. Er kommt aus Deutschland“, sagt Spasevski und lacht. Sie selbst kommt aus Tschechien und lebt schon seit 20 Jahren in Österreich. Trotzdem sei das Deutsch lernen nicht immer leicht gewesen. Das ehrenamtliche Engagement habe da definitiv geholfen.

Die 44-Jährige ist wohl ein Paradebeispiel dessen, was Integrationsministerin Susanne Raab vergangene Woche gefordert hat. Zugewanderte, also Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund, sollten sich noch mehr ehrenamtlich engagieren. Denn ein Engagement in Vereinen oder gemeinnützigen Organisationen stärke die „emotionale Zugehörigkeit“ und fördere den Kontakt zu Österreichern – ein „Integrationsturbo“ also, wie es die Ministerin ausdrückte.

Die Idee ist nicht neu – und klingt einleuchtend: Tatsächlich engagiert sich fast die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren freiwillig in Vereinen, Organisationen und Initiativen oder, informeller, in der Nachbarschaftshilfe. Der perfekte Ansatzpunkt also, um Österreicher und Zugewanderte zusammenzubringen.

Aber was sagen die großen Freiwilligenorganisationen zu der Forderung? Und wie funktioniert das schlussendlich in der Praxis? Harald Geissler ist gewissermaßen ein Pionier auf dem Gebiet. Der Kommandant der Hauptfeuerwache Villach startete im Jahr 2016 das Projekt, Flüchtlinge in die Freiwillige Feuerwehr zu integrieren. Eine Organisation, bei der es vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar war, Frauen aufzunehmen. „Ich bin schon schief angeschaut worden. Aber ich wollte etwas zur Integration beitragen.“

»"Ich bin schon schief angeschaut worden."«

Harald Geissler, Kommandant der Hauptfeuerwache Villach



Ressentiments. Für Geissler war es eine spannende Zeit, „mit all ihren Höhen und Tiefen“. Innerhalb der eigenen Reihen habe es durchaus Ressentiments gegeben, als die neun jungen Männer aus Somalia, Afghanistan, Libyen oder dem Jemen in der Grundausbildung angefangen haben. „Das habe ich ein bisschen unterschätzt.“

Er habe „massiv nachschärfen“ und intern aufarbeiten müssen, erzählt Geissler. „Irgendwann habe ich alle gemeinsam versammelt und jeden seine Geschichte erzählen lassen.“ Als sie die zum Teil beklemmenden Erlebnisse gehört haben, sei ein Umdenken in der Mannschaft eingetreten: „Man hatte plötzlich ein Bild von der Person.“ Wobei manche Kameraden auch weiterhin negativ gegenüber Flüchtlingen eingestellt gewesen seien. Aber eben nicht gegenüber „unseren“, erzählt Geissler.

Im Gegensatz zu den herrschenden Vorurteilen hätten die anfangs doch sehr geringen Deutschkenntnisse weit weniger Probleme gemacht. Wohl auch, weil ein Feuerwehrmann ohnehin eine einjährige Ausbildung absolvieren muss, bevor er voll eingesetzt werden darf. Genug Zeit, um sich auch mit dem Kärntner Dialekt halbwegs vertraut zu machen. Wenn jemand in der Kantine mit den „Integrationswilligen“, wie Geissler sie nennt, Englisch gesprochen hat, habe er trotzdem geschimpft. „Sie sollten ja Deutsch lernen. Nicht auf Maturaniveau, aber man muss bei einem Einsatz kommunizieren können. Mit Handzeichen und Stille Post geht das nicht.“

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