Brexit

Großbritannien: „Die Regierung beschämt unser Volk“

Boris Johnson hat es eigentlich nie so leicht.
Boris Johnson hat es eigentlich nie so leicht.imago images/i Images
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Trotz massiver Kritik an der geplanten völkerrechtswidrigen Unterminierung des Austrittsvertrags gießt Premier Johnson Öl ins Feuer. Ex-Premiers reagieren empört, Irland sieht „nur mehr wenig Zeit für einen Deal“ bis Mitte Oktober.

London. Die britische Regierung hat mit massiven Vorwürfen an die EU ihre Vorgangsweise zur Aushebelung des Brexit-Vertrags gerechtfertigt. Dass Bestimmungen des heute, Montag, erstmals im Unterhaus diskutierten britischen Binnenmarktgesetzes (Internal Market Bill) völkerrechtswidrig sind, sei eine „Notwendigkeit", um angebliche Pläne der EU für eine „Handelsblockade“ und die „Zerschlagung des Vereinigten Königreichs“ zu vereiteln, behauptete am Wochenende Premierminister Boris Johnson. Wir erfüllen – großzügig – unsere Aufgabe, den EU-Markt zu schützen, aber was wir nicht akzeptieren, ist eine Bedrohung der Integrität des Vereinigten Königreichs durch die EU“, drohte der zuständige Minister, Michael Gove.

Irlands Außenminister Simon Coveney wies die Aussagen als „völlig frei erfunden“ zurück. In der BBC erinnerte er das britische Publikum gestern daran, dass Johnson im Oktober nach Unterzeichnung jenes Vertrages, den er nun offen zu verletzen beabsichtigt, von einem „Verhandlungstriumph“ gesprochen hatte. Laut „Financial Times“ wiesen Juristen im Jänner die Regierung darauf hin, dass der Vertrag mit der EU dieser „weitreichende Mitsprache“ in umstrittenen Bereichen einräume. Das Papier wurde, wie viele andere, unter Verschluss gelegt.

Schelte von Tony Blair und John Major

Mit Empörung reagierten gestern die ehemaligen Premierminister John Major und Tony Blair auf Johnsons Manöver. Sein Vorgehen sei „verantwortungslos, falsch und gefährlich“, schrieben Tory-Premier Major und sein Labour-Nachfolger Blair. „Während die Welt fassungslos auf Großbritannien schaut – ein Land, dessen Wort einst als unverbrüchlich galt –, blamiert sich die Regierung und beschämt unser Volk.“

Gegen den Furor der britischen Ex-Premiers gab der Ire Coveney eine Meisterklasse an Understatement: Zwar habe London „enorme Spannungen“ erzeugt, und für ein Handelsabkommen bleibe „nur mehr sehr wenig Zeit“. Dennoch sei eine Vereinbarung noch möglich, wenngleich dies „wahrscheinlich nur ein sehr einfacher und dürrer Handelsvertrag“ sein werde, sagte er. Das Grundproblem für weitere Verhandlungen mit London brachte Coveney klar auf den Punkt: „Wie kann die EU vorangehen und eine neue Vereinbarung als Basis für unsere künftigen Beziehungen vorlegen, wenn bestehende Abkommen, die nicht einmal ein Jahr alt sind, mit Gesetzen verletzt werden sollen?“

In Brüssel nehmen heute die Verhandler von EU und Großbritannien ihre Gespräche wieder auf. Nach Aussagen beider Seiten muss es zur Verhinderung eines No-Deal-Brexits bis zum EU-Gipfel am 15. Oktober eine Vereinbarung geben. Trotz der beispiellosen Krise liefen die Gespräche in der Vorwoche „besser, als man erwarten würde“, wie es aus Diplomatenkreisen hieß.

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