Zwischentöne

Eine vergnügliche Musikgeschichtelektion im Mozartsaal

Wen lassen wir lieber altvertraute Klänge akustisch „übermalen“ – einen Avantgardisten wie Schönberg oder den Romantiker Edvard Grieg?

Heute Abend setzt Elisabeth Leonskaja im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses ihren klug programmierten Zyklus fort, in dem sie Musik der Wiener Klassik mit Kompositionen der sogenannten „Zweiten Wiener Schule“ miteinander konfrontiert. Diesmal steht Arnold Schönbergs Klaviersuite op. 25 im Mittelpunkt, umrahmt von Sonaten und Fantasien von Mozart.

Das ist weniger abwegig, als es scheint, obwohl es sich bei Schönbergs Werk um die erste groß angelegte, konsequent mit der Zwölftonmethode organisierte Komposition der Musikgeschichte handelt.

Die Gegenüberstellung mit einem Stück wie der sogenannten „Sonata facile“ von Mozart hat Methode. Denn wie Mozart auf zwei Ebenen agiert, wenn er mit dieser vorgeblich „einfachen Sonate“ einen Stil anschlägt, der dem Hörer suggeriert, er könne bei der ersten Begegnung mit dieser Musik wirklich gleich alles mitbekommen, spielt auch Schönberg mit der Tradition: Er versucht mit den Mitteln der Avantgarde die Regeln der barocken Suiteform zu erfüllen.

Wie Mozart einen simplen Tonfall wählt, den Hörer aber bei näherer Betrachtung auf eine ganz erstaunliche Abenteuerreise mitnimmt, suggeriert Schönbergs Suite vor allem durch rhythmische Lebendigkeit, die alten Tanzformen wieder aufzunehmen; entzieht ihnen aber verfremdend den Boden der altvertrauten Tonalität.

Das tut er übrigens dermaßen konsequent, dass er Musikanalytiker, die den Gang der „Zwölftonhandlung“ nachzuvollziehen versuchen, zur Verzweiflung treibt: Immer dort, wo der sture Ablauf der zwölf Töne zufälligerweise zu Assoziationen mit klassischen Kadenzen führen würde, „korrigiert“ Schönberg seine eigenen Vorschriften. Er lässt lieber einen Ton, der „an der Reihe“ wäre, weg, als dem Hörer Assoziationen zu Grundtönen in Dur oder Moll zu gönnen.

Solche aufzuspüren, sollten die Besucher des heutigen Konzertes also gar nicht versuchen, lieber hoffen, dem Spiel der Töne jenseits des harmonischen Wohllauts ästhetische Freuden abzugewinnen. Die „Suite“ erklingt übrigens am „Originalschauplatz“: Im Mozartsaal erlebte sie 1924 ihre Erstaufführung durch Eduard Steuermann.

Die Mozartschen Stücke drumherum bergen für Freunde Lisa Leonskajas übrigens noch ganz andere gedankliche Querverbindungen: Die „Sonata facile“ und auch die c-Moll-Sonate, die zu Beginn des Abends erklingt, hat die Pianistin vor Jahren – apropos Verfremdung – im Verein mit Swjatoslaw Richter vierhändig gespielt und aufgenommen, jene zusätzlichen Stimmen inklusive, mit denen einst Edvard Grieg im romantischen Überschwang Mozarts Originale „akustisch übermalt“ hat.

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