Musikkritik

Brucknerfest: Von Linz nach Moria und zurück

Festrednerin zur Eröffnung der Linzer Brucknerfests: Waris Dirie.
Festrednerin zur Eröffnung der Linzer Brucknerfests: Waris Dirie.APA/Werner Kerschbaum
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Kontroverse – im Speziellen der Musikstreit der Spätromantik – ist heuer Thema beim Linzer Brucknerfest. Zur Eröffnung sprachen Waris Dirie und viele Politiker.

Im Schatten der zweiten Welle ist es schon eine Freude, wenn ein Festival überhaupt stattfindet. Das gilt auch für das Brucknerfest, das auch heuer mit einem prickelnden Programm aufwartet: Aus Großbritannien kommen zwei Topchöre (Tenebrae und The Sixteen), die neue Generation wird von den heimischen Shootingstars Julia Hagen und Aaron Pilsan vertreten, das spektakuläre Stegreif.orchester verspricht eine improvisatorische Neufassung der dritten Sinfonie von Brahms. Los ging es bei der Eröffnung mit dem oberösterreichischen Jugendsinfonieorchester unter Adrien Perruchon.

Nach der nicht enden wollenden namentlichen Begrüßung aller prominenten Gäste erklangen endlich Liszts „Préludes“. Kontroverse ist das heurige Thema, die Veranstalter möchten den Musikstreit der Spätromantik Revue passieren lassen, als Programmmusiker à la Liszt und Wagner mit ihren „programmlosen“ Kollegen wie Brahms und Joachim über die Zukunft der Musik zankten. Entsprechend war das Eröffnungsprogramm eine Verschmelzung der beiden Parteien: Nach Liszt folgte Wagners „Parsifal“-Vorspiel, dann Bruckner als Vermittler mit der frühen Version des Scherzos seiner ersten Sinfonie, schließlich Brahms mit seiner Akademischen Festouvertüre. All das zusammen ergab eine ideale Sinfonie mit Kopfsatz, langsamen Satz, Scherzo und freudigem Schluss. Ein heimliches Outing der Festival-Programmierer als Fans der absoluten Musik?

Zwischen den Stücken wurde geredet: Zuerst Bürgermeister Luger, der für seinen Appell, das Elend in Moria nicht nur mit Geld und Decken abzugelten, langen Applaus erhielt. Landeshauptmann Stelzer mied das Thema danach und blieb bei seinen blumigen Formulierungen über die Wichtigkeit der Kultur. Die Zweite Nationalratspräsidentin Bures plädierte für Wiederbelebung des Diskurses in der Gesellschaft und ebenfalls für eine humanitäre Lösung für Moria.

Die eigentliche Festrednerin, Bond-Girl, Topmodel und Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie brachte dann frischen Wind aufs Podium, als sie gleich das Offensichtliche aussprach: Die Politiker reden zu viel. In einer hochemotionalen, ungeskripteten Rede warb sie für Naturschutz, Respekt für Frauen und flehte fast für ein Ende des Rassismus, den sie täglich erlebt: „'cause we all need love baby.“ Schließlich sprach sie die jungen Musiker an: Sie hätten die Zukunft der Welt in der Hand.

Diese Ermutigung mag dem Orchester nach dem etwas müden Scherzo davor (bei all den Reden kein Wunder!) geholfen haben: Beim Brahms gaben sie nochmal alles. Wenn das Blech in der letzten Reihe schmetterte, wenn der selbst noch junge Dirigent die Streicher anfeuerte, dann war Gänsehaut unvermeidbar. Dass manche langgehaltene Akkorde nicht ganz sauber waren, machten Motivation und Spielfreude wett.

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