Misstrauen der EU gegenüber Chinas Regime steigt

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GERMANY-EU-CHINA-POLITICS-DIPLOMACYAPA/AFP/POOL/MICHELE TANTUSSI
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Die Hoffnung Pekings auf eine Annäherung mit Europa wurde nicht erfüllt. Daran ist das Regime mit seiner totalitären Linie gegen Hongkong und die Uiguren sowie seinem manipulativen Umgang mit Covid-19 selbst schuld.
 
 

Um das Ergebnis des am Montag virtuell veranstalteten Gipfeltreffens zwischen Europäischer Union und Volksrepublik China zu bewerten, genügt ein Blick auf dessen solidestes Ergebnis. Im November vorigen Jahres einigten sich die beiden, gegenseitig jeweils 100 geschützte Ursprungsbezeichnungen für Lebensmittel anzuerkennen. Zehn Monate später, vor Beginn des EU-China-Gipfels, verschickte der Pressedienst der Europäischen Kommission eine Jubelmeldung über den Vollzug dieser Einigung.

Gewiss ist es beispielsweise für die Hersteller von steirischem Kürbiskernöl erfreulich, sich künftig nicht mehr mit chinesischen Billigimporten herumschlagen zu müssen, die beim Konsumenten den Eindruck erwecken, ebenfalls der grünen Mark zu entstammen (vorausgesetzt, die Chinesen wenden sich der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte beherzter zu als bisher).

Die wirklich harten Nüsse im Verhältnis zwischen Europa und Peking sind nicht so leicht zu knacken – und ihre Zahl ist seit dem vorherigen EU-China-Gipfeltreffen am 9. April 2019 gewachsen. Die härteste und größte dieser Nüsse ist zweifellos die Coronapandemie und die Frage, wieso der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) die Kontrolle über den lokalen Ausbruch des Covid-19-Virus derart katastrophal entgleiten konnte. Zur Erinnerung: Anfang November gab es die ersten Berichte darüber aus der Stadt Wuhan – doch erst mehr als zwei Monate später informierte Peking den Rest der Welt. Damit des Unmuts nicht genug: Hartnäckig verbreitet das Regime in Europa Desinformation über Ursprung und Verbreitung der Seuche. Das kritisierte sogar der sonst so zurückhaltende Auswärtige Dienst der EU.

„China muss uns überzeugen“

Die KPC verringerte ihre Chancen auf die heiß ersehnte Vertiefung des Verhältnisses zu Europa – mit einem Freihandelsabkommen als Goldtopf am Ende des Regenbogens – mit zwei weiteren Verschärfungen ihres totalitären Kurses. Die genozidäre Verfolgung der Uiguren (einschließlich Massensterilisierungen und Konzentrationslagern) und die Entrechtung der Bürger Hongkongs kühlten die europäische Dialogbereitschaft deutlich ab. Man werde weiter über ein Investitionsabkommen reden, lautete das Fazit am Montag. Doch weder zeigte Chinas Führung ihre Bereitschaft, den Zwang zu Technologietransfers abzuschaffen, noch die Märkte für Telekom, Informationstechnologie, Finanzdienstleistungen und Gesundheitsdienste zu öffnen. „China braucht uns viel mehr als wir China“, kommentierte Valérie Niquet, Ostasien-Expertin des Pariser Thinktanks FRS. „Bei globalen Themen wie echtem Multilateralismus und Umweltfragen kann man China nicht trauen. Für die Volksrepublik ist die EU nur ein Mittel, das nach seinen eigenen Interessen verwendet wird.“

„Europa muss ein Spieler, kein Spielfeld sein“, resümierte Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates. „Reden ist wichtig. Aber man muss Worte in Taten umsetzen.“ Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sonst stets um Zweckoptimismus bemüht, erklärte nüchtern: „Eine Menge, Menge ist noch zu tun. China muss uns überzeugen, dass es wert ist, ein Investitionsabkommen zu haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2020)

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