"Don Giovanni": Der Frauenheld als Süchtler

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Salzburger Festspiele. Zum zweiten Mal stirbt "Don Giovanni" dank Claus Guths Regie im Wald. Eine Lesart, szenisch faszinierend, akustisch jedoch oberflächlich. Im Übrigen kehrt man zur üblichen Mischfassung zurück.

Das ist der beste Teil von Claus Guths Salzburger Da-Ponte-Zyklus. Anders als im „Figaro“ oder in „Così fan tutte“ entwickelt der Regisseur aus Teilen der Handlung und freien Assoziationen zu „Don Giovanni“ eine stimmig ablaufende Intrige, die viele von Mozarts dramaturgischen Vorgaben verarbeitet und analytisch beleuchtet. Mag sein, es ist zu dick aufgetragen, die ganze Geschichte im Wald spielen zu lassen und alles, was nach Fest und guter Laune aussieht, als Spiegelungen von Drogenfantasien zu interpretieren. Doch hat das anfängliche Bild– der Komtur fügt seinem Mörder im Zuge des Duells eine schwere, zuletzt tödliche Wunde zu – etwas Faszinierendes. Tatsächlich ist ja die Erzählung von den letzten Abenteuern des Don Juan eine Chronik des Scheiterns. Guth lässt seinen Helden dabei langsam verbluten.

Die Wunde, „die nie sich schließen will“

Man hat für diese Deutung, die in kühn zugespitzter Personenführung kleinteilig und von den Darstellern in allen Fasern willig ausgespielt wird, ursprünglich die Wiener Fassung – ohne das moralisierende Schlusssextett – gewählt. Die Reprise, 2010, endet ebenfalls mit Giovannis Höllenfahrt (respektive Grablegung; oder noch besser gesagt: Der sterbende Mann plumpst in die vom Komtur ausgehobene Grube...).

Doch im Übrigen kehrt man zur allgemein üblichen Mischfassung zurück, die dramaturgisch weit weniger stringent ist. Ein Kompromiss. Zu wessen Gunsten? Yannick Nézet-Séguin agiert routiniert am Pult der Wiener Philharmoniker. Von der (manche verstörenden) Brisanz der einstigen Einstudierung sind nur die drastisch kolorierten Secco-Rezitative geblieben. Notabene wird großzügig-solid musiziert.

Das hat Erfolg. Wie auch im Vokalen alles für Jubel sorgt, was sich halbwegs an Mozarts Noten entlangrankt, etwa die Donna Anna von Aleksandra Kurzak, die in Zeiten, in denen man in der Festspiel-Regiekanzlei noch etwas von Stimmen verstand, als viel zu leichtgewichtig für diese Rolle gegolten hätte. Ja, die Koloraturen gelingen locker, und dort, wo die Sängerin – wie die meisten Kollegen auch – Ziernoten einlegt, tönen sie sicher und präzis. Doch was der Komponist an furiosem Ausdruck von seiner Primadonna verlangt, bleibt Andeutung.

Wie das klingen könnte, beweist Dorothea Röschmann. Sie hat sich die Schwierigkeiten der Donna Elvira zurechtgelegt, die heikelsten Passagen umschifft sie trickreich– und in den Arien („Mi tradi“ singt sie, was Mozart sanktioniert hat, um einen Halbton tiefer) tönt ihr Sopran voll dunkler, glühender Leidenschaft.

Das ist Ausdrucksgesang, wie ihn auf besonders virtuose, beinah spielerisch lockere Weise auch Erwin Schrott beherrscht: Sein Leporello ist der stärkste Mann am Platz, übertrumpft an (auch vokaler) Beweglichkeit und imposantem Auftritt Christopher Maltman, der den Titelhelden vergleichsweise zurückhaltend, aber noch im Schwächetaumel con eleganza zeichnet.

Exzellente Zerlina, mutiger neuer Tenor

Exzellent Anna Prohaska als Zerlina: eine Charakterstimme mit Sex-Appeal und exzellenter Führung, wogegen der nur optisch hünenhafte Adam Plachetka eine Randerscheinung bleiben muss.

Eingesprungen ist Joel Prieto als Don Ottavio: ein leichter, in der Höhe agiler Tenor. Er muss auch „Il mio tesoro“ singen, was eine (noch) schwächelnde Tiefe offenbart. Nicht nur unter diesem Gesichtspunkt ist die Rückführung auf das traditionelle, in Gustav Mahlers Sinn „verschlampte“ Mischmasch der Mozart-Lesarten bedauerlich.

„DON GIOVANNI“ in Salzburg

Claus Guths Produktion von 2008 (eben auf DVD erschienen) wurde neu einstudiert.

Besetzung: Christopher Maltman, Erwin Schrott, Aleksandra Kurzak, Anna Prohaska, Dorothea Röschmann. Dir.: Yannick Nézet-Séguin.Reprisen: 12., 15., 19., 22., 25, 29.8.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2010)

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