Nachhaltigkeit

Grüne Energie für Stapler, Lkw und Schiffe

Betankung eines Brennstoffzellenstaplers in der BMW-Produktionsstätte Leipzig.
Betankung eines Brennstoffzellenstaplers in der BMW-Produktionsstätte Leipzig.(c) bmw group
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Noch sind Antriebstechnologien mit Wasserstoff nur bedingt reif für den Logistik-Alltag. Aber die Lösungen kommen – und zwar noch in diesem Jahrzehnt.

Für die ÖBB hat am vergangenen Freitag das Wasserstoffzeitalter begonnen. Am Wiener Hauptbahnhof startete an diesem Tag ein Zug des französischen Hersteller Alstom. Die Antriebsenergie kam nicht aus der Oberleitung, sondern aus einer Brennstoffzelle, die Wasserstoff in elektrische Energie umwandelt. Der Brennstoffzellen-Zug soll nun einige Wochen im Personenbetrieb erprobt werden. Aber so außergewöhnlich er auch daherkommt – er ist lediglich ein Projekt unter vielen. Denn Wasserstoff hat Zukunftspotenzial. Richtig, sprich mit „grünem“ Strom erzeugt, bietet er einen entscheidenden Vorteil: Lkw, Züge oder Schiffe können mit Null Emissionen betrieben werden. Und im Gegensatz zu klassischen E-Fahrzeugen dauert der Betankungsvorgang nicht länger als bei konventionellen Treibstoffen – bei wesentlich größeren Reichweiten.

Vorreiter in der Intralogistik

Im Intralogistik-Bereich sind mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge schon länger im Einsatz. Der französische Frischelogistiker Prelodis etwa hat seit 2017 solche Stapler im Einsatz. Hergestellt wurden sie vom Intralogistik-Spezialisten Jungheinrich, die Zellen stammen von Plug Power, einem US-amerikanischen Brennstoffzellen-Pionier. Linde Material Handling, ein weiterer Hersteller von Flurförderzeugen, engagiert sich ebenfalls schon länger auf diesem Feld. Rund 80 Prozent aller Linde-Modelle könnten bereits mit der zukunftsträchtigen Antriebsvariante bestellt werden, heißt es aus dem Unternehmen. „Mit unserer Technologie erreichen wir bei der Brennstoffzelle bereits eine Lebensdauer von 10.000 Betriebsstunden“, berichtet Marketingleiter Peter Markschläger. Damit soll sich die Lösung ab einer Flotte von 20 Fahrzeugen im Schichtbetrieb rechnen. Verkaufshit sind Brennstoffzellen-Stapler bisher aber nicht. Viele Kunden stehen der neuen Technik skeptisch gegenüber und scheuen die zusätzliche Infrastruktur, die fürs Betanken benötigt wird.

Neue Forschungsprojekte

Dass die neue Antriebstechnik noch ziemlich am Anfang steht, zeigt auch das von einem österreichischen Konsortium ins Leben gerufene Projekt „HyTruck“, in das neben mehreren Vertretern der Automobilindustrie und Logistikdienstleistern Forschungseinrichtungen wie die TU Graz und die TU Wien eingebunden sind. Gesucht wird eine emissionsfreie brennstoffzellenbasierte Lösung für Nutzfahrzeuge. „Herausforderung ist die Performance der Brennstoffzelle, denn Kunden sind am Ende des Tages wenig kompromissbereit“, erzählt Heimo Schreier, bei AVL List für das Projekt verantwortlich. Ein Knackpunkt sei etwa die Haltbarkeit. „In Brennstoffzellen, dem teuersten Teil eines Lkw, laufen chemische Alterungsprozesse ab, die Leistung nimmt über die Lebensdauer ab“ erläutert Schreier. Solche technischen Herausforderungen seien aber lösbar, ist Schreier überzeugt. Für die im Rahmen von HyTruck entwickelten Komponenten werden bereits im kommenden Jahr umfangreiche Tests durchgeführt. Er schätzt, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren Wasserstoff-Lkw in Serie gehen werden, allerdings aufgrund der hohen Entwicklungskosten und anfangs niedrigen Stückzahlen wie bei den Staplern zu relativ hohen Preisen: „Die Gesetzgeber sind eingeladen, diesen gordischen Knoten durch Fördermaßnahmen zu durchschlagen“, meint Schreier. In einem ähnlichen Projekt mit dem Titel „HyTrain“ soll mit österreichischem Know-how unter anderem ein wasserstoffbetriebener Schmalspurzug zur Marktreife gebracht werden. Eine weitere Herausforderung besteht darin, Lösungen für die kostengünstige Herstellung und sichere Lagerung von Wasserstoff zu entwickeln. Als Pionier in diesem Bereich gilt das oberösterreichische Unternehmen Fronius, das eine komplette Anlage zur Erzeugung, Speicherung, Verteilung direkt am Betriebsgelände eines Unternehmens entwickelt hat. Die Technik setzt auf Solarenergie und liefert damit „grünen“ Wasserstoff. Eine clevere Lösung zur Speicherung von Wasserstoff hat die deutsche Firma H2-Industries SE entwickelt: Bei der LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) wird Wasserstoff chemisch in einer ölartigen Lösung gelagert. Die LOHC-Speichertechnologie soll als Basis genutzt werden, mit der H2-Industries gemeinsam mit dem niederländische Schifffahrtsunternehmen PortLiner vollelektrische Transportschiffe entwickeln und bauen will.

Wasserstoff aus Biogas

Neue Möglichkeiten der Wasserstoff-Herstellung erforscht die Arbeitsgruppe Brennstoffzellen und Wasserstoffsysteme am Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik der TU Graz. So wurde etwa eine „Chemical-Looping Hydrogen-Methode“, entwickelt, die aus Biogas klimaneutralen Wasserstoff erzeugt. Ein Prototyp ist im Testbetrieb. Erfüllt die Pilotanlage die Vorstellungen der Forscher, könnte die Anlage in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Wieviel der Wasserstoff aus Biomasse kostet, lässt sich heute noch kaum abschätzen.

„Aber Biogas ist eine erneuerbare Energiequelle und man muss überlegen, was einem die CO32-Freiheit wert ist“, sagt Viktor Hacker vom Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik an der TU Graz. Das gilt vorerst wohl für die gesamte Wasserstofftechnik.

Auf einen Blick

Die Wasserstoff-Technologie wurde in ihren Grundzügen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Durchsetzen dürfte sie sich erst gegen Ende dieses Jahrzehntes. Herstellung, Speicherung und Transport der Energie bergen etliche Herausforderungen. Auch die Brennstoffzelle selbst hat noch ihre Macken. Vor allem gleichmäßige Energieabgabe während der gesamten Lebenszeit ist ein wichtiges Thema, das bei diesem teuren Teil gelöst werden will. In Österreich forschen mehrere Forschungsteams, unter anderem an der TU Wien und TU Graz, an derartigen Lösungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2020)

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