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Digitales Wetteifern um Transportaufträge

Was sich auf den Autobahnen bewegt, hängt immer öfter von digitalen Frachtbörsen ab.
Was sich auf den Autobahnen bewegt, hängt immer öfter von digitalen Frachtbörsen ab.(c) Getty Images (Bim)
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Neue Online-Plattformen fordern die klassische Speditionsbranche heraus. Diese reagiert mit der Entwicklung eigener digitaler Dienstleistungen.

Namen wie Instafreight oder Pamyra sind für Versender interessante Alternativen zu herkömmlichen Speditionen, um ihre Lieferkosten zu drücken. Gemeint sind Logistik-Dienstleister, die weder Fuhrpark noch Lager besitzen, und deren Algorithmen menschliche Disponenten ersetzen. Maximilian Schäfer, Geschäftsführer von Instafreight erklärt: „Bei jedem Transport, der bei uns abgewickelt wird, merkt sich das System, wer der Frachtführer war. Denn Frächter fokussieren sich meist auf bestimmte Verbindungen. Wenn nun ein ähnlicher Auftrag hereinkommt, wird dem Frachtführer automatisch via E-Mail der neue Auftrag angeboten.“ Instafreight tritt dabei als vollwertige Spedition in Erscheinung, die sowohl mit dem Verlader als auch mit dem Frachtführer einen Vertrag hat und dafür auch voll haftet. Der Profit ergibt sich aus dem Unterschied zwischen Einkauf und Verkauf.

Mietsoftware und exklusive Zugänge

Einen anderen Weg beschreitet Pamyra, ein Logistik Start-up aus Leipzig. Das Unternehmen sieht sich nicht als Konkurrent von klassischen Speditionen, sondern versucht, Versendern das Auffinden und Buchen geeigneter Transporteure möglichst einfach zu machen. So können Versender auf der Pamyra-Website gezielt Preise und Leistungen von hunderten Speditionen vergleichen und direkt buchen. „Für klassische Spediteure ist Pamyra ein digitaler Vertriebskanal und Partner beim Thema Digitalisierung“, erklärt Lasse Land, CFO von Pamyra. „Speditionen nutzen unsere Technologie bereits auf ihrer eigenen Homepage, um Prozesse zu digitalisieren.“ Wie werden bei so einem Geschäftsmodell Gewinne generiert? Land: „Wir partizipieren in geringem Maße an Buchungen über unsere Onlineplattform. Außerdem können Speditionen unsere Technik als Mietsoftware für Buchungen von Bestandskunden auf der eigenen Seite nutzen. Dafür zahlen sie einen monatlichen Beitrag.“

Ebenfalls aus der Sicht der Versender betrachtet die deutsche Order-Plattform eFrexx den Logistikmarkt. Mit der eigenentwickelten Software können Ausschreibungen in exklusiver Verwaltung der Kunden durchgeführt werden. Die Plattform ist im Corporate Design des Versenders gestaltet, nur eingeladene Transporteure haben Zugang dazu. Das System kombiniert die drei Haupttransportwege Land-, See- und Lufttransporte. Laut eFrexx-Geschäftsführer Achim Quaken rentiert sich das System ab einem Minimum von 200.000 Euro Frachtkosten pro Jahr. Es gibt zwei Preismodelle: Eine Flatrate, die sich aus dem durchschnittlichen Transportvolumen pro Monat berechnet und eine volumenbasierte Abrechnung. eFrexx ist bereits in mehreren europäischen Ländern verfügbar, so auch in Österreich.

Klassische Speditionen rüsten auf

Und wie reagieren klassische Logistikdienstleiter auf das Engagement ihrer digitalen Mitbewerber? Mit einer Intensivierung ihrer eignen digitalen Angebote. DB Schenker beispielsweise entwickelte mit „Drive4Schenker“ eine Transportbörse, die Transportdienstleistern einen einfacheren Austausch ermöglicht. „Auf ,Drive4Schenker' sind derzeit rund 50.000 Carrier gelistet, die täglich auf rund 5000 Ladungen zugreifen können“, erklärt Alexander Winter, CEO DB Schenker in Österreich und Südosteuropa. Transportdienstleister werden direkt per Mail über passende Angebote informiert. Das Tool wurde bereits auf 250 eigene Landtransport-Hubs in Europa ausgeweitet. Außerdem macht Not in der Krise erfinderisch: Die DB Schenker-Niederlassung in Graz entwickelte in einem Pilotprojekt eine innovative IT-Lösung für eine sichere Dokumentation der Warenzustellung bei Einhaltung des nötigen Corona-Abstands. Mithilfe einer No-Touch-Signatur kann der Kunde die Dokumente zu seiner Lieferung am eigenen Smartphone aus bis zu drei Metern Entfernung unterzeichnen. Dieser kontaktlose „Proof of Delivery“ (POD) ist bereits in zwölf Sprachen verfügbar und soll in Kürze bei der Warenzustellung in ganz Europa zum Einsatz kommen.

Covid-19: Boom bei digitalen Angeboten

Bereits in den 1980er Jahren bot Kuehne + Nagel digitale Status-Updates zu Sendungen an – heute steht mit „myKN“ ein umfangreiches digitales Tool zur Verfügung. „Damit können Angebote für den See-, Luft- und Landfracht eingeholt, Buchungen vorgenommen, Sendungen nachverfolgt, Frachtdokumente hochgeladen und der Stand aller Rechnungen eingesehen werden“, erklärt Dominique Nadelhofer, Global Head of Media Communication bei Kuehne + Nagel. Für ausgewählte asiatische Märkte im Landverkehr hat Kuehne + Nagel zudem das Transportmanagementsystem „eTrucknow“ eingerichtet. In Kürze sollen der Mittlere Osten, Südafrika sowie Europa folgen. In Zeiten der Covid-19-Pandemie haben sich digitale Angebote bewährt, berichtet Nadelhofer: „Seit dem Lockdown im Frühling sehen wir deutliche Zunahme bei unseren Online-Dienstleitungen. Die myKN-Nutzer haben sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt.“

Fragmentierter Frächtermarkt

Auf deutschen Autobahnen war 2019 beinahe jeder dritte Lkw leer unterwegs. Täglich sind EU-weit zwei Millionen Lkw-Touren auf den Straßen. Unter den Frächtern von Europa haben Branchengrößen wie DB Schenker drei Prozent und Kuehne + Nagel 0,2 Prozent Marktanteil. Die Hauptlast des Frachtverkehrs tragen rund 700.000 Transportunternehmen mit jeweils nur wenigen Lkw.

Mit den neuen digitalen Tools und Plattformen lassen sich Routen und Aufträge besser planen, sodass sich letztlich eine Optimierung des Frachtverkehrs auf den europäischen Hauptverkehrsrouten ergibt. Noch steckt die Entwicklung aber in den Kinderschuhen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2020)

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