Roma-Diskriminierung: "Wir reden hier von EU-Bürgern"

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Roma-Diskriminierung: "Wir reden hier von EU-Bürgern"(c) REUTERS (Stephane Mahe)
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"Man verweigert Roma in der EU Bildung und kritisiert sie dann, dass sie nicht lesen können", kritisiert Amnesty Österreich-Chef Patzelt. Er lobt Österreich: Nach den Attentaten von Oberwart sei man aufgewacht.

Ausweisungen, "Kriegserklärungen", Vertreibungen, Ausgrenzung und sogar Mord - die Volksgruppe der Roma hat in der EU zu kämpfen. Galt lange Zeit der Osten der Staatengemeinschaft als Brennpunkt sozialer Konflikte, gewinnen nun die Aussagen westlicher Politiker immer mehr an Schärfe. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International in Österreich, äußert daher "größte menschenrechtliche Sorge".

"Wehret den Anfängen"

Betteln sei "keine ehrliche Weise" um an Geld zu kommen, ließ vor kurzem der schwedische Migrationsminister Tobias Billström verlauten, nachdem bekanntgeworden war, dass EU-Roma aus dem skandinavischen Land abgeschoben worden waren. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy formulierte seine Abneigung gegen die größte europäische Minderheit wesentlich drastischer: er erklärte ihr den "Krieg". Für Patzelt ist das der blanke Wahnsinn: "Ich will hier keinerlei Vergleiche heranziehen, aber ich sage nur: Wehret den Anfängen. Ich sehe es mit Schaudern, dass etablierte Regierungen ohne Wohlstandsproblem beginnen, auf die widerlichste Art Kleingeld zu münzen."

Kritik übt Patzelt sowohl an der EU als auch an den einzelnen Mitgliedsstaaten. "Wie kann ein Staatenbund es zulassen, dass die eigenen Leute so behandelt werden?", fragt er. Mit den "eigenen Leuten" meint Patzelt geschätzte zwölf Millionen Roma, die quer verstreut am Kontinent leben - und das meist unter katastrophalen sozialen Bedingungen, rausgedrängt aus den jeweiligen Gesellschaften.

"Wir reden hier von EU-Bürgern"

Jahrhundertealte Vorurteile seien der "Antrieb" für einen Teufelskreis, der Roma und "Weiße" immer mehr auseinanderdividiere. "Man verweigert ihnen Bildung und kritisiert sie dann, dass sie nicht lesen und schreiben können, das ist absurd", so Patzelt. "Es war peinlich am Europäischen Roma-Gipfel Anfang April 2010 in Cordoba, als man sich dort darauf einigte, dass man schon bestehende Spielregeln in der EU künftig auch auf Roma anwenden wolle. Wir reden hier von EU-Bürgern."

Die Europäische Union vergebe bei der Integration von Roma eine Riesenchance, ist Patzelt überzeugt: "Es wäre ideal, die Sache jetzt anzupacken, schon allein wegen der Selbstbestätigung. Wie will man sonst von Wladimir Putin fordern, er soll die Tschetschenen besser behandeln? Die EU sieht nicht, was für einer Lächerlichkeit sie sich da preisgibt."

"Widerwärtiger Zynismus"

Patzelts Liste der Sünder in Europa ist lang. Er spricht von

  • "Mörderischer Gewalt" in Ungarn,
  • "brutalen Zwangsräumungen" in Bulgarien, Rumänien und Griechenland
  • einem "irren" Nomadennotstandsplan von "widerwärtigem Zynismus" in Italien, wo man in Rom "tausende Roma in Ghettos außerhalb der Stadt und ohne Busverbindung gesteckt hat, um ihnen dann vorzuwerfen, dass sie keine Arbeit haben"
  • einer Bildungspolitik in Tschechien, "die einen zum Erbrechen bringt"
  • und "skandalöse Sprechblasen" von Sarkozy und Silvio Berlusconi.

Österreich gehe diesbezüglich mit gutem Beispiel voran: "Hier ist man nach den Attentaten von Oberwart wirklich aufgewacht", lobt Patzelt. Feste Wohnsitze, Nachhilfe für die Kinder, Jobs für die Erwachsenen und Zugang zum Gesundheitssystem seien die Schlüssel für die Integration der Roma-Volksgruppe. "Europa braucht nichts neu zu erfinden, wir müssen nur akzeptieren, dass es sich um unsere Staatsbürger handelt."

(APA)

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