Geschmacksfrage

Testessen im Viva la Mamma

Christine Pichler
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Das Wiener Wirtepaar Huth hat schon wieder ein neues Lokal eröffnet – und hat das ausgerechnet Jamie Olivers weltweitem Niedergang zu verdanken.

Systemgastronomie ist ein böses Wort und Wien ein schwieriges Pflaster für internationale Franchiseketten. Diese Weisheiten beweist auch der jüngste Streich der Wirtsleute Huth, deren Restaurant-Imperium wächst und wächst. Von der Wiener Schellinggasse und dem Ur-Huth, dem Stammwirtshaus mit lustig-rescher Serviceleiterin, ausgehend eröffneten Robert Huth und Familie Lokal um Lokal, einmal italienisch, einmal eine kleine Burger-Kette, einmal Bier, einmal Pizza und so weiter und so fort.

Alle funktionieren nach dem Huth-System, klare Positionierung der Küchenlinie, klare Zielgruppe, gute Preise, Mittelklasse. Systemgastronomie für jene, die keine Systemgastronomie schätzen eigentlich. Nun kommt das „Viva La Mamma“ hinzu, und das hat eine eigene Geschichte: Einst war hier das Harrys Time, ein Einsteigerlokal für künftige Gourmets. Nach einem Todesfall wagten die Huths die Übernahme, gaben aber wieder auf.

Christine Pichler

Dann traten Franchisenehmer der Jamie-Oliver-Bistrokette auf den Plan und bauten das Lokal zu einem Kitsch-Fantasie-Brasserie-Laden um. Die Küche war nicht so schlecht, Jamie Oliver eben. Nur ganz ehrlich: Wer brauchte Jamie Olivers Italien-Entdeckungen in Wien? O. k., die kulinarisch benachteiligten bis zurückgebliebenen Briten kannst du mit einer Pasta mit echtem Basilikum ebenso beeindrucken wie eine sibirische Studenten-WG, aber in Wien? In der Stadt der stolzen Toskana-Fahrer? Olivers Gläubige(r) scheiterten schon vor Corona. Übrigens weltweit zerbröselt das einstige Imperium Jamie Olivers gerade, Corona dürfte ihm den Rest geben. Es bleiben aber sympathische Insta-Videos.

Robert Huth übernahm jedenfalls sein altes Lokal im Pariser Walt-Disney-Style und erfand mit einem italienischen Produzenten/Berater ein neues System: Es gibt gute, teigige Pizzen in klassischen Varianten. O8/15 ist auch das Pasta-Angebot, und eine Speisekarte ohne Caesar Salad dürfte von der Wirtschaftskammer verboten worden sein. Wirklich originell sind aber die Burrata-Varianten, die es einmal sogar als Kilo-Ausgabe für größere Runden gibt. Wenn ich scherze über die vermutete Damen-Zielgruppe, verliere ich womöglich diese Kolumne.

Vor allem aber gibt es Schwarze-Trüffel-Spezialitäten, einmal in der Ravioli-Pasta-Form, einmal als geniale Pizzaauflage mit Lardo di Colonnata begleitet. Luxus für alle, in den ersten Tagen wurde das Viva la Mamma förmlich überrannt. Sicher auch wegen des Namens. In Gedenken an Jamie hätte man auch „Ciao, Bello Ciao“ wählen können ...

Viva la Mamma, Dr.-Karl-Lueger-Platz 5, 1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/512 16 45,

Restaurant: ­
Mo–So: 11–23 Uhr.

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