Kolumne zum Tag

Auf den Socken waren kleine graue Tauben

(c) imago images/blickwinkel (M. Woike via www.imago-images.de)
  • Drucken

Die Taube ist mein Feind. Sie weiß das, ich weiß das.

Wir starren einander an, und sie kann den Blick länger halten. Geräusche vertreiben sie schon lange nicht mehr, sie hat das Gemüt des „Terminators“ und die Penetranz der Werbung im Radio. Ihr Gurren und Flattern und Beobachten von der Dachrinne herab, wenn sie doch einmal verscheucht wurde, bringen einen an den Rand der Tierliebe. Sie ist auch nie allein, sondern immer mit Verwandtschaft und großem Freundeskreis unterwegs.

Es ist ok, gegen Tauben zu sein, wird einem tröstend mitgeteilt, so wie man auch Läusen, Motten, Nacktschnecken und Gelsen feindselig begegnen darf, um deren Leben kaum wer bangt. Den Tauben trachtet man natürlich nicht nach dem Leben, sie sollen nur nicht die Gesamtherrschaft übernehmen.

Das muss man ihnen schonend beibringen, heißt es von seiten des Taubenbeauftragten der Stadt Wien: Mit falschen Raben, die sie zum Lachen bringen und CDs, die hübsch in der Sonne glitzern, aber niemanden schrecken. Mit Geräten, die so unhörbare Töne machen, dass auch die Tauben sie nicht hören können und sich seelenruhig daneben niederlassen.

Immer wieder schrecken, rät jemand, damit sie es sich nicht gemütlich machen. Aus dem freien Tag wird das zunehmend hysterische Projekt Taubenverscheuchen und so sind wir am Abend alle erschöpft, die Tauben und ich, nur stehen sie am nächsten Tag früh auf, um einen wissen zu lassen: Juhu, wir sind wieder da.

Weniger Home Office ist keine Option. Bleiben Ohrstöpsel. Aber das erledigt nicht den Taubenkot und die Federn in den Gemüsebeeten. Man lädt einen Experten ein, einen Taubenguru. „Bitte lassen Sie die Schuhe an“, sagt man flehentlich, schon steht er da in Socken, auf denen kleine graue Tauben drauf sind. Es wird einem angst und bange. Hitchcock würde heute mit Tauben drehen, soviel ist sicher und das Kreischen, das Sie hören, wäre ganz echt, das kommt von mir.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.