Round Table

Mit privater Vorsorge zur Unabhängigkeit

(c) RICHARD TANZER
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Disziplin beim Geldausgeben und aktives Investment sind geeignete Instrumente, um einen drohenden Pensionsschock zu vermeiden. Vor allem Frauen müssen sich mit dem Thema beschäftigen.

Wer bereits heute an morgen denkt, hat später die besseren Karten: Durch aktive Maßnahmen lässt sich jede noch so gefährlich wirkende Pensionslücke abwenden. Wie? Ganz einfach: Es gilt, die persönliche finanzielle Situation genau zu analyisieren, die Lücke zwischen Ist und Soll zu berechnen und mit der Auswahl der richtigen Investmentprodukte einen Finanzpolster aufzubauen und finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. So lautete das Fazit eines Round Table der „Presse“ in Wien.
Dabei diskutierte eine fachlich versierte Expertenrunde unter der Moderation von Eva Komarek, General Editor for Trend Topics Styria Media Group AG: Marietta Babos, Gründerin Damensache.at – eine unabhängige Plattform, die sich mit Anlagethemen aus Sicht der Frau beschäftigt, Michaela Bauer, Vertriebsexpertin Wien der Uniqa, Christine Mayrhuber, Senior Economist am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und dort für den Forschungsbereich „Arbeit, Einkommen und Soziale Sicherheit“ zuständig, Florian Helmberger, Hello bank! Filialdirektor Wien und Leiter der Hello bank! Akademie sowie Ernst Vejdovszky, CEO der Immobiliengesellschaft S IMMO AG.

Wie die Expertenrunde einstimmig betonte, ist die Pensionslücke keine Erfindung, sondern ein reales Problem, das aufgrund des Zusammenspiels von zwei Faktoren (siehe Artikel rechts) in Österreich in erster Linie Frauen betrifft. Mit aktiven Maßnahmen kann jedoch dagegen gesteuert werden.

Dritte Säule stärken

Ein Problem ist der Unterschied zwischen dem Letztgehalt und der ersten Pension: Bei Frauen beträgt dieser durschnittlich mehr als minus 50 Prozent, wie Babos sagt. Die Mehrzahl der Frauen, die neu in Pension gehen, muss mit einer staatlichen Zuwendung auskommen, die unter der Altersarmutsgrenze liegt. Das sind Zahlen, die sich nicht wegdiskutieren lassen – doch es gibt Mittel dagegen: Bekämpfen lässt sich das Problem am besten, indem vor allem Frauen nicht nur auf die erste Säule setzen, sondern bei der Wahl des Arbeitgebers auf eine ausreichend ausgestattete zweite Säule achten und die dritte selbst aktiv gestalten. Sich abzeichnende Probleme der ersten Säule können dann durch Maßnahmen bei den beiden anderen mehr als nur wettgemacht werden.
Dass eine aktive Beschäftigung mit dem Thema notwendig ist, steht indes fest: In Zukunft dürfte der Unterschied zwischen Erwerbseinkommen und Erstpension noch steigen. Angesichts von steigenden Lebenshaltungskosten wird es also schwierig sein, allein mit der ersten Säule einen angenehmen Lebensabend zu erreichen. Denn die demografische Entwicklung führt dazu, dass immer mehr Pensionisten immer weniger Erwerbstätigen gegenüberstehen. Mayrhuber hält fest: „Wer 45 Jahre arbeitet, hat genug Beitragsjahre in der ersten Säule.

Frauen haben im Durchschnitt aber aufgrund ihrer anderen Lebensplanung deutlich weniger und kommen selten auf mehr als 30 Versicherungsjahre. Die Höhe des Erwerbseinkommens zu steigern, wäre für alle drei Säulen des Pensionssystems sehr wichtig. Vernünftige Einkommen gerade in den – wie wir heuer gesehen haben – systemrelevanten Berufen wären begrüßenswert.“

Private Reserven schaffen

Nicht jeden Job können Frauen auch mit 70 Jahren noch ausüben. „Aber auch für Frauen, die sehr wohl bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter erwerbstätig sein möchten, ist es unabdingbar, rechtzeitig private Reserven zu bilden“, so Babos. Denn je höher das Einkommen, umso besser der Lebensstandard, den es abzusichern gilt. Ein weiterer Punkt, der für eine private Vorsorge spricht, ist die Tatsache, dass die betriebliche Säule der Pensionsvorsorge in Österreich in der Praxis oft sehr stiefmütterlich behandelt wird. „Viele Unternehmen kennen die Möglichkeiten gar nicht, die sich bieten“, bedauert Bauer. „Wir setzen auch auf die zweite Säule und haben eine Zusatzpension, zwei Prozent des Gehalts werden bei einer Pensionskassa veranlagt“, entgegnet Vejdovszky. Einen hohen Anreiz stellt das für die Belegschaft in der Praxis allerdings nicht dar: „Unsere Mitarbeiter sind überwiegend jung und mit 30 oder 40 Jahren denkt man nach meiner Erfahrung selten an die Pension. Wir haben auch Mitarbeiterinnen in Teilzeit und versuchen in jeder Teilzeitvereinbarung, Interessen von Eltern und vom Unternehmen unter eine Hut zu bringen: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“

Diesen gilt es, gemeinsam zu finden. „Kunden müssen informiert und motiviert werden“, denn in der Praxis ist oft Scheuklappendenken angesagt, wie die Uniqa-Expertin meint. Das gilt für Unternehmen wie für angehende Pensionisten: „Wer einmal den Auszug vom Pensionskonto gesehen hat, bekommt den ersten ‚Pensionsschock‘ und schiebt das Thema beiseite. Daher geht es darum, die Menschen schon vor dem Schlagendwerden dieser Thematik wachzurütteln.“
Zu wenig Wissen vorhanden

Warum das schwer ist, hat nicht mit geschlechtsspezifischen Pensions- sondern mit geschlechterunabhängigen Wissenslücken zu tun: „Bereits in der Schule wird kaum Finanzwissen vermittelt“, so Helmberger. „Auch Möglichkeiten, die es bereits lange gibt, kennen daher zu wenige. So setze ich privat auf das Pensionssplitting, musste aber feststellen, dass das viele gar nicht kennen.“

Enorme Informationsdefizite werden bei Themen wie der privaten Vorsorge sichtbar. So ist zwar einem Großteil der Österreicher, ob weiblich oder männlich, die Brisanz des Themas bewusst. Konkrete Vorsorgemaßnahmen werden aber in der Praxis dennoch von vielen lieber nicht getroffen. Dies zeigt zumindest eine von Telemark-Marketing veröffentlichte Umfrage. Demnach halten zwar rund 89 Prozent der Befragten die Vorsorge für wichtig oder sehr wichtig. Demgegenüber gaben aber 42 Prozent an, aktuell gar keine Vorsorgeprodukte abgeschlossen zu haben. Das bedeutet nicht, dass sie keine Anlageprodukte haben, die nachhaltig Zinsen über der Inflationsrate abwerfen – sondern dass diese Menschen gar keine Vorsorge finanzieller Natur betreiben. Keine Lebensversicherung, kein Kapitalsparbuch, kein „Notgroschen unter dem Polster“.

Dabei müssen gerade Frauen aktiv vorsorgen: „In der weiblichen Erwerbsbiografie gibt es besonders viele Fallen und Stolpersteine“, warnt Babos: „Es muss gar nicht die Teilzeit wegen der Erziehungsaufgaben sein – ich denke auch an Themen wie Scheidung oder Auszeit. Finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen, sollte für Frauen daher noch wichtiger sein als für Männer.“

Massenproblem Altersarmut

Ist das gesamte Pensionssystem zu hinterfragen und neu zu denken, fragt Komarek: „Rollt auf uns eine Heerschar an Menschen in Altersarmut zu?“ Wenn nicht bald Anreize für die zweite und dritte Säule gesetzt werden, droht dieses Szenario tatsächlich, sind die Experten einig. Denn jene Berechenbarkeit im Erwerbsleben, die frühere Generationen hatten, finden Millennials nicht mehr vor, sagt Mayrhuber: „Der Arbeitsmarkt wird immer dynamischer und es sind immer mehr Unsicherheiten da. Gerade junge Familien haben, vor allem wenn man auch die steigenden Lebenshaltungskosten berücksichtigt, heute weniger Einkommen als früher. Dazu gibt es eine ganze Gruppe junger Beschäftigter, denen es am Arbeitsmarkt überhaupt nicht gut geht. Laut unseren Studien hat etwa ein Drittel der unselbständig Erwerbstätigen weder Stabilität noch ausreichend Einkommen. Wie soll man da vier Jahrzehnte planen?“ Flexibilität zu bewahren ist daher wichtig. „Die Politik sollte Anreize schaffen“, ist auch Bauer überzeugt: „Wenn Frauen in Teilzeit arbeiten oder sich um die Pflege von Angehörigen kümmern müssen, fehlt es auf einmal an Einkommen.“


Für Anreize bräuchte es aber mehr Entschlossenheit aufseiten der politischen Entscheidungsträger. „Das Thema Pensionslücke ist ein politisches Thema“, betont Vejdovszky: Sowohl die betriebliche Vorsorge als auch die private Vorsorge werden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen, und Anreize in diesen Bereichen würden die klammen Staatskassen entlasten. Dazu kommt der Faktor Wissen: Wer nicht allein auf die erste Säule setzt, sondern sich aktiv mit Vorsorge beschäftigt, baut Schritt für Schritt Know-how auf. „Verbesserungen sind auf zwei Wegen möglich – beim Pensionssystem selbst mit diversen Anreizen oder bei der Höhe des Erwerbseinkommens in der aktiven Zeit“, meint der S-IMMO-CEO. „Es würde helfen, wenn es eine bessere Möglichkeit für Frauen gäbe, Beruf und Familie zu vereinbaren. Skandinavien könnte ein Vorbild sein – dort scheint es sehr gut zu funktionieren.“ Ein Ziel einer langfristigen Pensionsvorsorge sollte jedenfalls sein, über einen langen Zeitraum auch real – also nach Berücksichtigung der Inflation – einen Vermögenszuwachs zu erreichen. Das Sparbuch, das „liebste Buch der Österreicher“, ist als alleiniges langfristiges Ansparinstrument für die Pension völlig ungeeignet. Vor allem, wenn noch ein ausreichend langer Zeithorizont vorhanden ist, sollten laut den Experten Aktien beigemischt werden – je nachdem, wie gut Wertschwankungen verkraftet werden können. Über lange Zeiträume sind Aktien von stabilen Unternehmen mit soliden Bilanzen und einem stetigen Gewinnwachstum anderen Anlageformen überlegen.


Wie sehr sich selbst geringe Unterschiede in der jährlichen Rendite über lange Zeiträume auswirken, zeigen einfache Berechnungsbeispiele auf Basis des Kalkulators auf Damensache.at: Wer heute mit 50 Jahren zu sparen beginnt, muss selbst bei einer inflationsbereinigten Rendite von 3,5 Prozent p. a. knapp 700 Euro pro Monat aufwenden, um damit eine lebenslange monatliche Rente bis 85 Jahren in Höhe von 1.000 Euro zu erreichen. Wer unter denselben Vorgaben erst 30 Jahre alt ist und heute zu sparen beginnt, erreicht dieses Ziel schon mit etwa 200 Euro im Monat.

Private Vorsorge aufbauen

Was die Zahlen klar zeigen – Frauen müssen früher anfangen zu sparen und mehr investieren, um zum selben Ergebnis wie Männer zu kommen, wie Damensache.at-Gründerin Babos aufzeigt. „Wir haben unter den Kunden etwa ein Verhältnis von 70 zu 30, der Männerüberhang ist hoch“, sagt Helmberger. Das bedeutet nicht automatisch, dass sich Frauen deutlich weniger als Männer mit Anlage auseinandersetzen, in der Realität ist das jedoch oft der Fall: „Wir betreuen auch sehr viele Ehepartner, federführend beim Depot ist aber in der Praxis meistens der Mann.“


Dabei würde es Sinn machen, das Zepter bei Investmententscheidungen den Frauen zu überlassen, wie Studien zeigen, weist der Hello-bank!-Experte hin: „Frauen sind in der Regel beim Investment vorsichtiger, Männer neigen oft zur Selbstüberschätzung: Gier ist männlich.“ Von sogenannten Damen-Produkten wie „Fonds für Frauen“ mit Fokus auf Mode- und Kosmetikaktien hält Helmberger übrigens gar nichts: „Die Ansprache der Kunden sollte eine andere sein, aber wir sollten Frauen nicht mit Produkten diskriminieren – sie müssen auch so schon zu viel Diskriminierung erdulden, etwa beim Gehalt.“ Das ist nicht automatisch der Fall, verteidigte sich Vejdovszky: „Der S IMMO ist Gerechtigkeit wichtig, Diskriminierung ist ausgeschlossen“, betont der CEO: „Wir sind ein kleines Team, das überwiegend hochbezahlt ist und über kollektivvertraglichen Mindestgrenzen verdient. Beim Gehalt zählen individuelle Ergebnisse, nicht das Geschlecht.“


Einen Hoffnungsschimmer bringt, dass das Thema in den vergangenen Jahren in den Köpfen vielfach angekommen ist, meint Bauer: „Besonders die jüngere Generation möchte mehr vorsorgen, das ist bei Kundengesprächen spürbar.“ Wie hoch die monatliche Summe für die dritte Säule sein muss, ist individuell unterschiedlich. „Aber es gibt bereits ab kleinen Summen sehr gute Möglichkeiten, in Anlagen mit höheren Renditeversprechen zu investieren – beispielsweise Fondssparen ab 30 oder 50 Euro im Monat“, so die Uniqa-Expertin. „Solche Sparpläne können maßgeschneidert werden, auch das Aussetzen von Monatszahlungen geht.“


Babos rät aufgrund ihrer Expertise, mindestens zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für die Pensionsvorsorge zur Seite zu legen. Schon allein, um den Schockeffekt beim Pensionsantritt zu vermeiden: „Besonders Frauen sollten sich rechtzeitig um ihre finanzielle Zukunft kümmern. Dafür gibt es unterschiedliche Anlageformen und wir helfen, die richtige zu finden.“

Information:

Der Round Table fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von Hello bank! BNP Paribas Austria AG, S IMMO AG und Uniqa Insurance Group AG.

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