In der Abflughalle wird noch die Fußball-EM 2012 beworben: Acht Jahre danach soll Berlins berüchtigter Flughafen BER eröffnen. Die „Presse" hat ihn getestet.
Um 13.25 Uhr wird die Easyjet-Maschine vom Flughafen Berlin Brandenburg, vom BER, ins englische Southampton abheben. Alles ist schon gescannt: das Ticket, der Reisepass, der Körper. Der Bus setzt sich in Bewegung. Historisch, historisch. All die Witze, die über diesen „Fluchhafen“ gerissen wurden, die Schlagzeilen vom „Milliardengrab“ und der Baukatastrophe, sind für einen Moment nur blasse Erinnerung.
Der Bus startet, er rollt vorbei an Easyjet-Maschinen, die wegen der Coronakrise hier geparkt sind. Dann die Durchsage: „Wir haben gleich unser Ziel erreicht.“ Wobei statt der englischen Küste immer noch eine Betonwüste im Südosten von Berlin am Fenster vorbeizieht. Rund 20 Minuten dauert der „simulierte Flug“, die Busfahrt.
Die Passagiere tragen grüne Warnwesten, deren Aufschrift das Rätsel löst: „Flughafen-Tester“. Zweimal wöchentlich üben hier am BER rund 400 Komparsen die Abläufe, bevor am 31. Oktober die Eröffnung ohne Pomp in Szene gehen soll. Nicht nur Corona verbietet große Feierlichkeiten – auch die Geschichte dieses Orts.
Steffen (46) ist spät dran am Probetag. Er eilt vom Parkhaus 7 Richtung Terminal 1. Er wirft einen kurzen Blick hinüber auf das gläserne Monument des Scheiterns. „Sieht aus wie damals.“ Also wie 2013, als der Flughafen-Fanatiker den BER am Tag der offenen Tür besichtigte. Das war zwei Jahre nach dem ersten geplatzten Eröffnungstermin 2011. Tatsächlich narrte das Terminalgebäude jahrelang das Publikum, weil es von außen vollendet aussah, während drinnen immer neue Gebrechen plagten, die Rolltreppen etwa oder das „Monster“, wie sie intern die fehlerhafte Brandschutzanlage nannten. „Da sieht man, was passiert, wenn die Politik baut“, sagt Steffen.
Aber inzwischen hat der TÜV den BER abgenickt. Der Flughafen ist startklar, die Betreibergesellschaft aber vor der Pleite, weil neben den Folgen des Missmanagements auch eine Seuche quält. Der Steuerzahler muss wieder Geld zuschießen. Für ihn ist dieser Irrflug noch nicht zu Ende.
Wer Komparse sein will, muss seine Identität am Eingang abgeben. Aus Männern werden Frauen, aus dem Pensionistenpaar die Eltern eines Babys. Unmusikalische geben Gitarren als Gepäck auf. Und die Korrektesten erhalten als Sonderaufgabe, die Sicherheitskontrolleure zu täuschen. Alles ist möglich in diesem Rollenspiel und „Abenteuer“, wie es ein Mitarbeiter dieses „sehr schönen Flughafens“ ankündigt. Realität und Fiktion vermischen sich. Die Passkontrollen sind echt. Die Polizisten auch. Und falls es einen realen Notfall gibt, dann ist das Losungswort „Tatsache“ zu nennen.