Todestag

An Wiesenthal erinnern

Béla Rásky, Philipp Rohrbach, Marianne Windsperger, Jan Kiepe und René Bienert führen durch Simon Wiesenthals Stationen in Wien.
Béla Rásky, Philipp Rohrbach, Marianne Windsperger, Jan Kiepe und René Bienert führen durch Simon Wiesenthals Stationen in Wien. Die Presse/Clemens Fabry
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Der Todestag Simon Wiesenthals jährt sich heuer zum 15. Mal. Sein Wirken und Erbe haben nichts an Aktualität und Dringlichkeit verloren. Ein Rundgang erinnert an seine Wiener Zeit.

Als Simon Wiesenthal zu Beginn der 1960er-Jahre die Räume seines neuen Büros bezog, in der Wiener Zelinkagasse nahe des Schottenrings, verfügte er über kaum finanzielle Mittel, hegte aber große Erwartungen. Wenige Jahre zuvor hatte er seine Jüdische Historische Dokumentation in Linz aufgelöst und einen Großteil der Bestände der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem überlassen. Wien war ein Neustart, und die Israelitische Kultusgemeinde sein Arbeitgeber. Wiesenthals neues Jüdisches Dokumentationszentrum bestand lediglich aus zwei kargen Zimmerchen, wie Historiker René Bienert vom Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) schildert.

Lang sollte er nicht in der Zelinkagasse bleiben; bald überwarf er sich mit der Kultusgemeinde und zog mit seinem Zentrum zum Rudolfsplatz. Auch dort: Drei bescheidene Zimmer, die Fenster seines Büros ließen den Blick auf einen Schacht frei, es wurde Kette geraucht, die Hausverwaltung beschwerte sich mehr als einmal über die Zigarettenstummel. Wiesenthals Besucher waren irritiert: Das soll das große Dokumentationszentrum sein? „Die Nachbarn erhalten Drohbriefe“, sagt Bienert, „und sagen sinngemäß: ?Das geht nicht, dass Wiesenthal in einem privaten Wohnhaus sein Zentrum betreibt und wir alle Ziel von Drohungen oder vielleicht Anschlägen werden.‘“ Wieder musste er umziehen, doch in der Salztorgasse sollte er endlich sesshaft werden – und ein Stachel im Fleisch der Republik bleiben.

Am 20. September (nach jüdischem Kalender: 5. September) jährt sich heuer der Todestag Wiesenthals zum 15. Mal. Das nach ihm benannte Institut für Holocaust-Studien veranstaltet zu diesem Anlass gemeinsam mit der Kultusgemeinde einen Rundgang durch Wien, wobei über fünf Stationen sein Leben und Wirken nachgezeichnet werden. Bei der Station Salztorgasse referiert Bienert über Wiesenthals Arbeitsstätten, am Ballhausplatz geht Historiker Jan Kiepe auf die weit verbreitete Wahrnehmung Wiesenthals als Agent ein. So beschimpften ihn seine Gegner, derer es enorm viele gab, als Agenten, und selbst während der Kreisky-Wiesenthal-Affäre warf man mit diesem Vorwurf um sich.

Ein Agent war Wiesenthal nicht, sagt Kiepe, eher ein Informant des Mossad – für diese Dienste erhielt er Monatsgehälter, die wiederum in sein Dokumentationszentrum flossen. Als Agent nahmen ihn bisweilen auch seine Unterstützer wahr. Im Sommer 1964 erhielt Wiesenthal den Brief eines 19-jährigen Niederländers, der das KZ Theresienstadt überlebte und den als „Nazijäger“ bekannten Wiesenthal fragte: „Können Sie mich ( . . . ) in Ihrem privaten Nachrichtendienst gebrauchen?“ Wenige Wochen später fragte der junge Mann nach, welche Ausrüstung er denn brauche: „Unsichtbare Tinte? Kurze Welle Sender? Mikro Kamera? Revolver?“

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