Interview

Timothy Snyder: "Mein Zorn betraf schlicht das Sterben"

„Es gibt Augenblicke, da ist es purer Horror“: Timothy Snyder entging nur knapp dem Tod.
„Es gibt Augenblicke, da ist es purer Horror“: Timothy Snyder entging nur knapp dem Tod.Stefan Fürtbauer / picturedesk.c
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In seinem neuen Buch beschreibt der Yale-Historiker Timothy Snyder seinen knapp abgewendeten Tod und die Missstände im US-Gesundheitswesen, die dazu führten. Der „Presse“ schildert er, wie man mit Kindern über das Sterben reden sollte, welches Glück der Anblick Wiener U-Bahnstationen stiften kann – und wieso Trump kein harmloser Clown ist.

Zu Silvester wären sie fast an einer Blutvergiftung gestorben, weil Ärzte in mehreren Spitälern einen Blinddarmdurchbruch übersehen hatten. Blicken Sie heute mit Entsetzen darauf zurück? Mit Wut? Oder vielleicht mit schwarzem Humor angesichts der Absurdität dieser Ereignisse?

Timothy Snyder: Je nach meiner Gemütslage. Es gibt Augenblicke, da ist es purer Horror, wenn ich mich an das Gefühl erinnere, das ich hatte, als ich dachte, ich könnte von meinen Kindern und meiner Familie getrennt werden. Diese Erfahrung hat mein Bewusstsein für die kleinen Freuden im Leben verstärkt, die winzigen Dinge, die einen daran erinnern, dass man am Leben ist. Es kommt vor, dass ich stehen bleibe und U-Bahnstationen in Wien betrachte. Oder dass ich mit dem Finger den Rand eines Kaffeehäferls entlangfahre. Aber meine vorrangige Methode, damit umzugehen, ist, meinen persönlichen Zorn in einen allgemeinen Ärger über das Gesundheitswesen in den USA zu drehen.

Wieso?

Weil dort ganz klar etwas von Grund auf falsch läuft. Und das hat mit einer Reihe von anderen Dingen zu tun, die in den USA falsch laufen. Ich bin darüber genügend aufgebracht, um nicht nur dieses Buch zu schreiben, sondern mir auch weiterhin Gedanken zu machen, wie das, was mir zugestoßen ist, Teil eines größeren Problems ist, und wie wir dieses Problem lösen können.

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