Am Herd

Test sicher

In der Schlange vor dem Corona-Testcenter auf dem Flughafen. Einer hustet. Einer trägt Maske mit Ventil. Und da gibt es natürlich noch zwei, die sich vordrängeln.

Kaum etwas ist deprimierender als das Flughafengelände um halb acht Uhr morgens zu Coronazeiten. Die Gänge sind leer. Die Geschäfte geschlossen. Rollbänder und Rolltreppen dösen vor sich hin und springen erst zögerlich an, als wir auf sie treten. Irgendwo blinkt einsam ein Getränkeautomat. Niemand da, den man fragen könnte: Geht es hier zum Health Center?

Doch dann ist schlagartig klar: Wir sind hier richtig. So viele Menschen! Eine lange, sich um den Block windende Schlange Menschen! Zwei Stunden Wartezeit, ruft uns der Letzte in der Reihe zu. Es ist ein gut gelaunter Deutscher, der beruflich in Österreich zu tun hatte und von seinem Chef eilig zurückbeordert wurde: Wien ist zu gefährlich. „Und jetzt mach ich den Test, weil ich am Wochenende nicht in Quarantäne will. Ich weiß, egoistisch.“

Finde ich eigentlich nicht. Egoistisch finde ich die Frau, die eine Maske mit Ventil trägt. Und den breitbeinig dastehenden Glatzkopf, der gefährlich hustet. „Der zündet sich schon die zweite Zigarette an, das kommt vom Rauchen“, sagt mein Mann, und dann streiten wir ein bisschen, was das für ein Husten ist und ob Stephan die Fahne des Glatzkopfs wirklich auf drei Meter Entfernung durch die Maske hindurch riechen kann. Das heißt: Wir streiten nicht wirklich. Wir vertreiben uns eher die Zeit. Als uns keine Argumente mehr einfallen, beobachten wir zwei Bauarbeiter, die neben der Schlange stehen, scheinbar in ihr Handy vertieft, und darauf warten, dass sich eine Lücke auftut, irgendeiner abgelenkt ist und sie sich reinschwindeln können.


Weggeschickt. Die Zeit vergeht. Das tut sie immer. Aber wenn man vorher weiß, dass man lang warten muss, vergeht sie schneller, und schon werden mein Mann und ich in ein Büro gelotst, wo unsere Daten aufgenommen werden. Die erste Hürde ist geschafft. Jetzt nur noch zum Rachenabstrich in den vierten Stock.

Dort treffen wir sie wieder, die Filtermaskenfrau, die Vordrängler, den Deutschen mit dem besorgten Chef, der sich mit einem Tiroler Kleinunternehmer angefreundet hat und nun Visitenkarten austauscht. Networken geht überall. Nur der Glatzkopf taucht nicht auf. Lift um Lift spuckt Leute aus, aber er ist nicht darunter. Wurden er und sein Husten auf die Hotline verwiesen? Oder hat er die fetten Schilder übersehen? Hier kann man nur mit Karte zahlen. Er ist der Typ, der gebündelte Scheine in der Hosentasche mitführt. Und der Typ, der stänkert. Ich bin froh, dass er weg ist.

Die Ärztin trägt Mundschutz und Visier, das schaut so einschüchternd aus, dass ich vergesse zu fragen, wie oft sich einer vom Team schon angesteckt hat.

Das mit den zwei Stunden hat gestimmt.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2020)

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