Tour de France

Tadej Pogačar: Immer schon seiner Zeit voraus

Radelte in Gelb nach Paris: Tadej Pogačar.
Radelte in Gelb nach Paris: Tadej Pogačar. REUTERS
  • Drucken

Die Stärke des Tour-de-France-Siegers Tadej Pogačar sorgt für Erstaunen, aber auch Zweifel. Wer ist dieser erst 22-jährige Slowene, vor dem sich nun die Größten des Radsports verneigen?

Paris/Wien. Das Herzschlagfinale von 1989 kennt Tadej Pogačar nur aus YouTube-Videos und alten Erzählungen. Er war noch nicht einmal auf der Welt, als Greg LeMond in einem denkwürdigen Einzelzeitfahren auf der Champs-Élysées den Sieg bei der Tour de France noch an sich gerissen hatte.

Nach und nach dämmerte dem noch 21 Jahre jungen Radstar, dass er ähnlich Historisches vollbracht hatte. „Das ist alles zu groß für mich“, sagte Pogačar, als er aufgeregt vor der Weltpresse stand. „Ich bin nur ein Kind aus Slowenien, habe zwei Schwestern und einen Bruder. Was soll ich sagen?“

Der Sohn einer Universitätsprofessorin – passenderweise im Fach Französisch – war vom Geschehen selbst überwältigt. Er habe eigentlich nur davon geträumt, bei der Tour zu starten. „Und jetzt trage ich das Gelbe Trikot“, sagte der Mann aus Komenda. Mit 21 Jahren und 365 Tagen fuhr Pogačar am Sonntag im Gelben Trikot nach Paris (Etappensieg: Sam Bennett). Nur ein Toursieger war jünger: Henri Cornet stand 1904 beim Finale kurz vor seinem 20. Geburtstag. Pogačar ist in der 107-jährigen Tourgeschichte nun überhaupt der Erste, der die Gesamtwertung, das Bergtrikot und das Weiße Trikot des stärksten Jungprofis gewann.

REUTERS

In einem famosen Bergzeitfahren nach La Planche des Belles Filles hatte er seinen bislang so souveränen Landsmann Primož Roglič in der Gesamtwertung noch überholt. So wie LeMond 1989, damals noch am Schlusstag in Paris. Der Amerikaner war begeistert von der Triumphfahrt des Slowenen. „Ich habe vor dem Fernseher geschrien, so wie ich 1989 auf der Champs-Élysées bei meinem Sieg geschrien habe. Das ist die Geburt eines großen, großen Champions“, sagte LeMond der „L'Equipe“.

Die Größten des Radsports verneigten sich vor Pogačar. „So eine Nummer macht man nicht, wenn man kein Talent hat“, sagte der fünffache Champion Eddy Merckx. Und Lance Armstrong, inzwischen in Radsportkreisen geächtet und wegen seiner Doping-Vergangenheit lebenslang gesperrt, sprach von einer „Leistung für die Ewigkeit“. Vielleicht sei es die beste jemals gewesen.

APA/AFP/CHRISTOPHE ENA

Wer ist dieser Tadej Pogačar? Mit neun Jahren kam er zum Radsport. Das Rennrad war ihm noch zu groß, und trotzdem besiegte er die älteren Buben. Pogačar war schon immer seiner Zeit voraus. Als er 2019 die Kalifornien-Rundfahrt gewann, musste das Protokoll der Siegerehrung geändert werden. Mit 20 war er noch zu jung für den Champagner, stattdessen gab es einen Teddybär. Auch bei der Vuelta gewann er drei Etappen, was noch keinem Radsportler in so jungen Jahren bei einer großen Rundfahrt gelang.

Er habe eine gute Genetik mitbekommen, meinte Pogačar: „Dafür muss ich meinen Eltern danken.“ Freundin Urška Žigart ist ebenfalls Radsportlerin und bestritt gerade den Giro d'Italia der Frauen. Zusammen wohnen sie in Monaco – bisher unscheinbar inmitten der Glitzerwelt. „Die Dinge werden sich verändern, aber ich möchte der bleiben, der ich bin.“

2009 begann er, die Tour im Fernsehen zu schauen. Damals habe er Alberto Contador zugejubelt. Bleibt zu hoffen, dass er einen anderen Weg als der Spanier geht. Contador wurde wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt.

Fragwürdiges Umfeld

Dass Pogačar, Roglič und andere im Lauf der Tour zahlreiche Aufstiegsrekorde unterboten haben, sollte kritische Fragen aufwerfen. Selbst gestandene Tourprofis staunten über das enorme Tempo mancher Konkurrenten.

Bei Pogačar gibt es bisher keine Verdachtsmomente, auch wenn das Umfeld bedenklich stimmt. Sein Entdecker Andrej Hauptman wurde im Jahr 2000 wegen eines Hämatokritwertes von über 50 Prozent nicht zur Tour zugelassen. In Pogačars Emirates-Team sind mit Mauro Gianetti und Matxin Joxean Fernandez zwei Vorbelastete als Teamchefs tätig. Und in der „Operation Aderlass“ führen viele Spuren nach Slowenien – aber bisher keine zu Pogačar.

(joe/ag. )

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.