Gewaltschutz

Gewalt an Frauen: Mehr Wegweisungen seit Beginn der Coronakrise

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Die Anzahl der Annäherungs- und Betretungsverbote bei Gewalt gegen Frauen und Kindern ist seit Beginn der Coronakrise in Österreich leicht gestiegen. Die Regierung appelliert an die Bürger, bei Beobachtungen nicht wegzuschauen - sondern die Polizei zu rufen.

Im März fielen viele Türen in Österreich ins Schloss: Um die Ausbreitung des - damals noch neuen - Coronavirus zu verlangsamen, hatte die Regierung damals Ausgangsbeschränkungen verhängt. So, wie das in vielen anderen Ländern auch passiert war. Und die Zahlen von dort hatten gezeigt: Hinter geschlossenen Türen steigt die Gewalt in den Familien, die Gewalt an Frauen und Kindern.

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Die Berichte etwa aus China - wo schon im März ein Anstieg bei Scheidungen und bei Gewalt in Familien berichtet worden war - und Italien, wo während des Lockdowns im März 74 Prozent mehr Frauen Hilfe vor Gewalt suchten, führten im Frauenministerium von Susanne Raab (ÖVP) damals dazu, dass recht rasch eine Informationskampagne zur Hilfe für Betroffene gestartet wurde. In Supermärkten lagen Flyer auf, auch wurde erstmals ein Chat eingerichtet, in dem Betroffene online Hilfe suchen konnten. Die Hoffnung: dass neben einer Virus- die Gewaltwelle ausbleiben möge.

„Kein massiver Anstieg von Gewalt“ 

Ganz so ist es nun letztlich nicht gekommen. Zwar gab es „keinen massiven Anstieg von Gewalt“, wie Raab am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) betonte, „wir sind gut durch die Krise gekommen“. Aber: Die Polizei verhängte häufiger Annäherungs- und Betretungsverbote. Und tut das immer noch. Der Anstieg hier ist leicht, aber bemerkbar: Während im Februar die Polizei 886 solcher Verbote aussprach, liegt die Zahl der Annäherungs- und Betretungsverbote seit April stets über 1000.

Insgesamt, so Raab, befinde sich Österreich bei der Gewalt gegen Frauen auf einem „hohen Niveau“. Insgesamt sagt jede fünfte Frau, schon einmal in ihrem Leben Opfer physischer oder sexueller Gewalt geworden zu sein. Auch schon vor der Coronakrise hatte es einen Anstieg bei den Anzeigen in diesem Bereich gegeben - 2019 waren 36.000, zweieinhalb Prozent mehr als 2018. 39 Frauenmorde gab 2019 - 2020 waren es bislang 16.

„Ausreichend Platz“ in Frauenhäusern

Ob der aktuellen Zahlen erklärte die Frauenministerin, dass es sich dabei lediglich um jene handle, die öffentlich bekannt seien, weil die Fälle von Gewalt der Polizei gemeldet worden seien - wie viel hinter verschlossenen Türen passiere, sei eine andere Frage. Insofern gab es vonseiten Innenminister Nehammers den Aufruf, sich mit ruhigem Gewissen an die Polizei zu wenden: Diese könne, in Zusammenarbeit mit den Frauenhäusern, „nachhaltig helfen“ - etwa auch in Fällen, wo das Opfer innerhalb der Familie nicht unterstützt werde. Auch für Kinder gebe es dort Platz, die Kapazitäten seien ausreichend, meinte Raab. Nehammer appellierte zudem an die Bevölkerung, wahrgenommene Fälle von Gewalt auch tatsächlich an die Polizei zu melden. Es sei besser, einmal zu viel als einmal zu wenig 133 angerufen zu haben.

Neben einem Überblick über die Zahlen präsentierte auch Wolfgang Bachmayer, Chef des Marktforschungsinstituts OGM, eine Umfrage unter 811 Personen zum Thema häusliche Gewalt während des Corona-Lockdowns. Die Analyse wurde vom Innenministerium in Auftrag gegeben. Grundsätzlich lässt sich aus ihr ablesen, dass ein Großteil der Befragten davon ausging, dass mehr Gewalt in Partnerschaften und Familien während der Coronazeit stattgefunden habe; gefragt nach konkreten eigenen Erlebnissen machten aber nur wenige der Befragten die Aussage, mehr Gewalt wahrgenommen zu haben. Raab betonte hier, dass auch die Bewusstseinsbildung für das Thema ein Ziel der Regierung sei. „Jeder einzelne Gewaltakt ist einer zu viel.“

Mehr als ein Viertel mehr Fälle in großen Städten

Die Analyse von OGM, der auch Daten des Bundeskriminalamts zugrunde liegen, zeigt auch: In größeren Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern haben sich die der Polizei gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt nach dem Corona-Lockdown um 26 Prozent erhöht. In mittleren Städten und Landgemeinden machte der Zuwachs im selben Zeitraum neun Prozent aus. Diese Zahlen interpretierte die grüne Frauensprecherin, Meri Disoski, am Montag als „eindeutigen Handlungsauftrag für den Ausbau des Gewaltschutzes“. Die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt sei beachtlich, dieses Thema sei sehr stark tabuisiert.

Die OGM-Befragung widmete sich auch der Exekutive: Das Vertrauen in die Polizei während des Lockdowns hat sich für 64 Prozent der Befragten verbessert und nur für 16 Prozent verschlechtert. 61 Prozent sprachen sich dafür aus, dass die Polizei bei der Kontaktverfolgung von Corona-Infektionsketten unterstützend mitwirken soll, während 31 Prozent das ausschließlich den Gesundheitsbehörden überlassen wollen.

Kontakt bei Fällen von Gewalt

Polizei: 133

Polizei-SMS, Notruf für Gehörlose: 0800 133 133

Frauen-Helpline: 0800 222 555

Help-Chat:www.haltdergewalt.at

Frauenhäuser:www.aoef.at

Hilfe für Männer:www.dmoe-info.at

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