Sanktionen

Belarus wird EU-Chefsache

Belarusian opposition leader Tsikhanouskaya in Brussels
Belarusian opposition leader Tsikhanouskaya in BrusselsREUTERS
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Zypern bleibt stur und verhindert EU-Maßnahmen gegen das Minsker Regime – trotz Aussprache mit der Oppositionschefin Tichanowskaja.

Auch ein Treffen mit der belarussischen Pasionaria, Swetlana Tichanowskaja, konnte Zyperns Außenminister Nikos Christodoulides nicht umstimmen: Der drittkleinste EU-Mitgliedstaat weigert sich weiterhin, Sanktionen gegen rund 40 Angehörige des belarussischen Regimes zuzustimmen, die für Gewalt, Folter und den Tod von Oppositionellen verantwortlich sind.

Weil die Union in allen Fragen der gemeinsamen Außenpolitik nur einstimmig entscheiden kann, liegen die beschlussreifen Einreiseverbote und Vermögenssperren weiterhin auf Eis. Nun müssten sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Europäischen Rat am Donnerstag und Freitag damit befassen, sagte Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik.

Streng genommen ist Zypern gar nicht gegen die belarussischen Sanktionen. Doch es fordert, dass gleichzeitig weitere Sanktionen gegen türkische Regierungsvertreter beschlossen werden, die an den völkerrechtswidrigen Probebohrungen nach Öl und Gas in zyprischen Hoheitsgewässern beteiligt sind beziehungsweise die politische Verantwortung dafür tragen. „Unsere Reaktion auf jegliche Verletzung unserer grundlegenden Werte und Prinzipien kann nicht à la carte sein", sagte Christodoulides am Montag. „Sie muss schlüssig sein."

Tichanowskaja, die ins litauische Exil vertriebene Anführerin der belarussischen Opposition, war vor der Sitzung der Außenminister in Brüssel zu einem Arbeitsfrühstück mit ihnen eingeladen. Dort appellierte sie an die EU, das Regime von Präsident Alexander Lukaschenko für seine Gewaltwelle gegen die friedlichen Demonstranten zu bestrafen, und untermalte dies mit Fotos von Folteropfern aus den belarussischen Gefängnissen.

„Kein Vorwurf an Zypern"

In der Sache stimmten ihr die 27 zu: „Wir anerkennen Lukaschenkos Präsidentschaft nicht, die das Ergebnis einer gefälschten Wahl ist", betonte Borrell nach Ende des Treffens einmal mehr. Es sei seine persönliche Hoffnung, die Sanktionen rasch beschließen zu können. „Ich mache Zypern keinen Vorwurf", fügte er hinzu. „Aber ich stelle fest, dass uns heute ein Mitgliedstaat für die Einstimmigkeit gefehlt hat, und das war Zypern."

Die Zyprer wissen, dass dieses Veto vermutlich die einzige Möglichkeit ist, die Union und allen voran Deutschland zu einer schärferen Gangart gegenüber dem Regime des türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, zu bewegen. Selbst Griechenland, das mit Ankara fast pausenlos im Clinch liegt, bemühte sich zuletzt um eine Entschärfung der Atmosphäre.

Osteuropäer tief verärgert

Deutschlands Regierung wiederum ist von der Hoffnung beseelt, mit Erdoğan auf realpolitischer Ebene ins Einvernehmen zu kommen. Denn vom Migrationsdruck im östlichen Mittelmeer, der angesichts des Zusammenbruchs der ohnehin schon schwachen staatlichen Fundamente des Libanon anzuschwellen droht, bis zum Bürgerkrieg in Libyen, bei dem die Türkei mitmischt, ist eine Lösung ohne Ankara unmöglich.
Demgegenüber steht der Ärger der osteuropäischen Mitgliedstaaten, allen voran der Balten. Der lettische Außenminister, Edgars Rinkēvičs, warf Zypern eine „Geiselnahme" des belarussischen Problems vor. Dasselbe Wortbild verwendete sein litauischer Amtskollege, Linas Linkevicius. Die Präsidenten von Litauen, Polen und Rumänien kündigten an, dass sie den Europäischen Rat um ein Paket aus Wirtschaftshilfen und Visumfreiheit für Belarus ersuchen, falls das Land demokratische Wahlen unter OSZE-Aufsicht veranstaltet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2020)

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