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Ein Reiseautor ohne Reisen? Gerät auf die schiefe Bahn

Stinkebecher. Nikotinkrank bleiben gewohnheitsmäßige Raucher wohl für immer.
Stinkebecher. Nikotinkrank bleiben gewohnheitsmäßige Raucher wohl für immer.(c) REUTERS (ERIC GAILLARD)
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Reiserauchen erzeugt Stress. Die schöne neue Welt ist nichts für Konsumenten der Todesdroge.

Was macht ein Reiseautor im Lockdown ohne Reisen? Er gerät privat auf die schiefe Bahn. Mir zum Beispiel, nach 23 Jahren Nichtrauchen, kamen Zigaretten in den Sinn. Super an dieser Droge ist ja: Leichte Wirkung, tötet nicht direkt. 1997 hatte ich meine Nikotinkarriere - als Asthmatiker öffnete ich mir regelmäßig per Spray die Bronchien, klassischer Medikamentenmissbrauch - durch Selbsteinsicht beendet. Doch im April 2020, als andere ihre Memoiren schrieben, "Krieg und Frieden" lasen oder Klarinette lernten, schnorrte ich - bis ich Päckchen kaufte. "Milde Sorte" hieß inzwischen "Meine Sorte", Trafikanten reagierten jedoch weiterhin auf "ein Packerl Milde, bitte", alles fast wie in den Neunzigern! Midlifecrisis, Jugendwahn? Bald hatte ich 35-40 tägliche Zigaretten erreicht.

Auf Post-Lockdown-Reisen machte ich Bekanntschaft mit brutal mies belüfteten Selchkammern auf Flughäfen. Reiserauchen ist in der schön-neuen Welt eine durchaus verfemte Tätigkeit. Im August erwachte ich nachts immer um drei und um sechs. Ich saß am Fenster einer Airbnb-Wohnung im 18. Pariser Arrondissement, jeweils für drei verbotene Zigaretten ("ne pas fumer à la fenêtre"), deren brennende Stummel fünf Stockwerke nach unten flogen. Nikotin war als Gegenspieler mächtig. Ich suchte Hilfe bei der "Rauchfrei"-Nummer. Seitdem ruft mich diese Therapeutin regelmäßig an. Beschluss: Die Paris-Heimkehr sollte meinen Schlussstrich markieren.

Der körperliche Entzug funktionierte grandios. Nach acht rauchfreien Tagen agitierte jedoch der innere Dämon. "Oida, nehmen wir stilvoll Abschied voneinander! Nur eine einzige!", säuselte er, oder "He Martin, die nette Trafik dort!" Irgendwann brach ich ein: Vorfälle, Rückfälle. Ich verharre innerlich beim Konzept Aufhören, bin jetzt wieder rauchfrei.
Der Dämon flüstert: "Probier's ein letztes Mal. Wir beide haben auf Reisen tolle Möglichkeiten - unendliche!" Nikotinkrank bleiben Betroffene wohl immer. Hartnäckig setze ich auf meinen Entschluss. Und auf Gesetze, auf gesellschaftliche Ächtung der süßen Todesdroge. Ich will und werde das Match gewinnen.

(Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 18.09.2020)

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