Morgenglosse

Der Punkt geht an China

Donald Trump hat sich mit seiner Krawall-Rede vor der UNO keinen Gefallen getan. Chinas Präsident konnte sich danach wieder einmal als verantwortungsvoller Staatsmann stilisieren.

Die Zeichen zwischen den USA und China stehen auf Eskalation. Mit seiner Rede vor der UNO-Generalversammlung hat der US-Präsident noch einmal eindrücklich gezeigt, wie dramatisch schlecht es um die Beziehungen der beiden Großmächte bestellt ist. Darin holte Donald Trump zu einem aggressiven Rundumschlag gegen die Volksrepublik aus und rief die Weltgemeinschaft de facto dazu auf, Peking für die Verbreitung des Coronavirus – „das China-Virus“ - zu bestrafen.

Freilich, Trump befindet sich in den letzten Wochen des US-Wahlkampfes. Ein Teil seiner Anti-China-Rede war auch an das heimische Publikum gerichtet. Am Dienstag erreichte die Zahl der amerikanischen Corona-Toten die 200.000-Marke – das sind mehr als drei Mal so viel Tote innerhalb weniger Monate, wie der Vietnam-Krieg auf Seiten der USA in mehreren Jahren gefordert hatte. Trump, wegen seines desaströsen Managements der Pandemie schwer unter Druck, braucht einen Schuldigen. Aber die Attacke als Wahlkampf-Getöse abzutun, greift viel zu kurz.

Der Handelskrieg, der Ursprung des Coronavirus, die Lage in Hongkong, die gegenseitige Schließung von Konsulaten: Der Konflikt zwischen den beiden Großmächten schaukelt sich schon seit langem hoch. Es ist ein Machtkampf, der viele Facetten hat – geopolitische, wirtschaftliche, technologische.

Dabei übersieht Trump, dass er den amerikanischen Einfluss mit seiner America-First-Politik zum Teil billig verspielt hat – und China von diesem Autoritätsverlust profitiert. Nur ein Blick auf die Vereinten Nationen reicht, um zu sehen, wie sich die Machtverhältnisse verschoben haben. Während die USA der Weltgesundheitsorganisation WHO, dem Menschenrechtsrat und der Kulturorganisation Unesco den Rücken zugewandt, das Pariser Klimaabkommen und den Iran-Deal aufgekündigt und Beiträge für andere UN-Institutionen gekürzt oder gestrichen haben, baut China seinen Einfluss in der Weltorganisation aus – mit Personal in Führungspositionen, mehr Engagement und Geld.

Auch deshalb hat sich Trump mit seiner Krawall-Rede vor der UNO keinen Gefallen getan. Chinas Staatschef Xi Jinping konnte sich in seiner Ansprache kurz danach wieder einmal als verantwortungsvoller Staatsmann stilisieren – auch wenn zwischen seiner schmeichelhaften Rhetorik und seiner Brutalo-Machtpolitik Welten liegen. Auf dem Bildschirm aber rief er die Staatengemeinschaft angesichts der Coronakrise zu Solidarität und Kooperation auf, warnte vor der „Falle des Kampfes der Kulturen“. Im Rededuell Trump gegen Xi geht der Punkt jedenfalls an China.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.