Die Ich-Pleite

Entscheidungen, die man nicht bereut

Carolina Frank
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Als Tiroler Wahlvolk muss man ja jeden Tag drei Kreuze machen, an dem nicht einer der Volksvertreter zum Gespött ganz Österreichs wird.

Manche Entscheidungen bereut man vielleicht sein Leben lang. Bei mir ist es zum Beispiel, dass ich mit dem Maturageld der Eltern nicht, wie vorgesehen, einen Führerschein gemacht habe, sondern nach Schottland gereist bin. Nachher habe ich nie mehr genug Führerscheingeld zusammengebracht und später Angst vor dem Steuer entwickelt. Und noch später bin ich in eine Stadt übersiedelt, in der kein vernünftiger Mensch ein Auto braucht. Dadurch darf ich diesen Herbst in Wien wählen und muss mir nicht unter den Tiroler Politikern einen aussuchen, unter den ich ein Kreuzerl machen kann.

Als Tiroler Wahlvolk muss man ja jeden Tag drei Kreuze machen, an dem nicht einer der Volksvertreter zum Gespött ganz Österreichs wird. Sie können vielleicht nichts dafür. Es könnte ein Virus sein, das Backlashes verursacht. Zurück in eine Zeit, als der Volksvertreter noch von Haus zu Haus gegangen ist, jedem tief in die Augen geschaut und gesagt hat: „Du woasch eh, wen wählen muasch, oder?“ Und das Wahlvolk hat gewusst: Abweichendes Wahlverhalten könnte einen bei der nächsten Bauverhandlung oder beim Ansuchen um einen Altersheimplatz für die Oma teuer zu stehen kommen. Zwischen den Wahlen haben die Volksvertreter gejagt – Vierbeiner und Zweibeinerinnen – und geschaut, dass nicht zu viele Fremde kommen. Außer in der Saison und in die Viersternehotels. Jetzt hat das Backlash-Virus auch eine Frau erwischt. Eine ÖVP-Politikerin aus Telfs hat einen Antrag auf Kündigung eines Gemeindeangestellten gestellt, weil er kein „Telfer Blut“ hat. Das fremde Blut stammt aus – nein, nicht aus Afrika, nicht aus der Türkei, auch nicht aus Deutschland, sondern aus – einer anderen Tiroler Gemeinde. Es gibt auch Entscheidungen, die man nicht bereut.

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