Leitartikel

Die EU-Kommission hat recht. Nur hilft ihr das nicht weiter

European Union flags flutter outside the European Commission headquarters in Brussels
European Union flags flutter outside the European Commission headquarters in BrusselsREUTERS
  • Drucken

Die Flüchtlingskrise lässt sich nur gesamteuropäisch lösen. Dass die Lösung auf sich warten lässt, hat die Brüsseler Behörde auch sich selbst zuzuschreiben.

Auf dem Höhepunkt der ersten Coronawelle im April, als noch nicht klar war, ob nationale Gesundheitssysteme und europäische Institutionen der Seuche standhalten werden, startete das European University Institute in Florenz ein ehrgeiziges Forschungsprojekt: In 13 Mitgliedstaaten wurden gut 20.000 Bürger danach gefragt, wie sie zur Solidarität innerhalb der EU stehen. Die Ergebnisse liefern zwei Erkenntnisse. Erstens: Solidarität ist zwar vorhanden – aber enden wollend. Und zweitens: Je unverschuldeter die Krise, in der sich ein EU-Mitglied befindet, desto größer die Anteilnahme. Die einzige Ausnahme von dieser Regel? Wenn es um Unterstützung im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten geht, hört es sich mit der Hilfsbereitschaft schlagartig auf.

Dieser Befund eignet sich gut als Hintergrund für die gestrige Präsentation der Asyl- und Migrationsstrategie der EU. Seit den Erfahrungen des Herbsts 2015 ist die Brüsseler Behörde tunlichst darum bemüht, das Reizwort Solidarität zu entschärfen – bzw. unter einem Kubikmeter Worthülsen zu begraben. So war am Mittwoch unter anderem von „holistischen Ansätzen“, „stärkerem Vertrauen“, „gut gemanagtem Grenzschutz“, „klaren Verantwortlichkeiten“ sowie, last but not least, von „Inklusion“ die Rede. Diese semantischen Füllmittel sollen es dem europäischen Patienten erleichtern, den eigentlichen Inhaltsstoff der gestern verabreichten Pille zu sich zu nehmen – nämlich den Mechanismus der verpflichtenden Solidarität, um den herum die Kommission ihre Wortgirlanden drapiert hat.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.