Kulturgeschichte

Wem die Sperrstunde schlägt

Wir hatten die Angst vor der Dunkelheit überwunden und uns mit dem abendlichen Ausgehen neue Möglichkeiten des Menschseins erschlossen. Jetzt kommt der Staat als Nachtwächter zurück. Was macht das mit uns?

Hört ihr Leut' und lasst euch sagen“: Wenn die Dunkelheit anbrach, schloss der Nachtwächter die Stadttore, riegelte Straßen mit Eisenketten ab und vertrieb die Trotzigen mit seiner Hellebarde von den Plätzen. Was wir romantisch verklären, war im Mittelalter – und in Jahrtausenden davor – nichts anderes als eine allabendliche Ausgangssperre. Die große Glocke erinnerte daran, Herdfeuer zu löschen, um Brände zu vermeiden. „Couvre-feu“ sagen die Franzosen deshalb zur Sperrstunde, die Engländer haben sie zur „curfew“ verballhornt. Eine kleine Glocke ruft in ihren Pubs bis heute zur „Last Order“ – laut, herrisch, hoheitlich, jede Diskussion ist zwecklos.

Aber seltsam: Der Nachtwächter, der doch brave Bürger so gut vor den Gefahren im Dunkel bewahrte, zählte wie der Henker zu den unehrenhaften Berufen. Man verachtete ihn. Der Schutz verhindert das gute Leben: Diese Ambivalenz ironisierte Samuel Beckett in seinem ersten Roman „Murphy“. Sein Held erlebt die Sperrstunde in einem Londoner Stadtteil als „Verteidigung West Bromptons durch West Brompton vor West Brompton“. Er zieht per U-Bahn weiter nach Wapping, „dessen Selbstverteidigung vor sich selbst nicht so unerbittlich war“, um dort eine Woche lang zu trinken.

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