Juliette Gréco 1962
Nachruf

Juliette Gréco: Die letzte große Chansonnière

Sie war die Königin des intellektuellen Chansons, hatte Sinn für trübe Poesie und war obendrein noch sexy: Juliette Gréco, die viele Tabus brach, starb nun 93-jährig.

Es war fast so, als wäre ich hypnotisiert. Ich war in einer Art Trance“, schrieb Jazztrompeter Miles Davis in seinen Lebenserinnerungen über Juliette Gréco, die Femme Fatale der Existenzialisten. „Es war April in Paris und ich war verliebt“, so Davis. Das war 1949. Davis konzertierte im Salle Pleyel, Gréco hatte ihn zuerst gesehen. Seine elegante Erscheinung machte Eindruck. Umgekehrt genauso. Mit ihrem schwarzen Rollkragenpullover, dem schwarzen Lidstrich, dem engen Kostüm und Strümpfen mit Bleistiftnaht war die Gréco schon kurz nach dem Krieg eine Stylerin. Zudem war sie hochintelligent, hatte Sinn für trübe Poesie und war obendrein noch sexy. Das war eine unerhörte Mischung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, ihrer Glanzzeit.

Als zweite Tochter des korsischen Polizisten Gérald Gréco in Montpellier geboren, geht sie 1943 nach einem mehrwöchigen Gefängnisaufenthalt nach Paris. Ihre Mutter und ihre Schwester, beide im französischen Widerstand tätig, überlebten das KZ Ravensbrück. Die Gréco besucht eine Schauspielschule, besteht die Abschlussprüfung nicht. „Ein Frischling, aber mit Zukunft“, befand eine Jurorin. Sie sollte Recht behalten.

Zunächst übernimmt sie Statistenrollen, dockt an Schauspielerkreise an, die im Café de Flore und der Brasserie Lipp verkehren. Sie lernt Picasso kennen, Albert Camus und Jean-Paul Sartre, der um die Ecke wohnt. Die Nachkriegsnot zaubert sie durch exzessive Lektüre von Literatur weg. Saint-Germain-de-Prés wird ihre neue Heimat. Sie lernt von den Besten. Vom Philosophen Maurice Merleau-Ponty, von Jean Cocteau, von Boris Vian. In Kellerlokalen wie dem Le Tabou und Jazzschuppen wie dem Club Saint-Germain probiert sie sich erstmals als Sängerin. Anerkannte Poeten wie Joseph Kosma und Raymond Queneau dichten Liedtexte für sie. „Les feuilles mortes“ und „Si tu t´imagines“ zählen zu ihren frühen Erfolgen.

Auch Sartre darf ran. „Ne gaites pas suer le marin“ und „La perle de Passy“ hießen seine kleinen Werke. Und er interessiert sich für die Affäre der Gréco mit Miles Davis, fragt sie, warum die beiden nicht heiraten. Ein schwarzer Mann und eine weiße Frau – das hatte damals noch Skandalpotential. Gréco schreibt in ihrer Biografie, dass sie seine Hautfarbe gar nicht bemerkt hat. Liebe eben. Geheiratet wurde dennoch nicht. Davis ging in die USA zurück und wurde zum Weltstar.

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