Kolumne zum Tag

Die Endorphine sind derzeit ausverkauft

Scherben bringen Glück.
Scherben bringen Glück.(c) imago images/Shotshop (Lutz Wallroth via www.imago-imag)
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Die Dinge sind selten perfekt.

Die Hamsterkäufe im Kaufmannsladen für Erwachsene haben zu gewissen Engpässen geführt. „Ich brauche dringend Endorphine“, schreibt eine Freundin, die ein hustendes Schulkind daheim hat und dem Wort Küchenarbeit eine neue Bedeutung gegeben hat, weil dort ihr Laptop steht. Leider, die Endorphine sind aus und die Lieferung dauert noch eine Weile.

In der Schule hat „Corona-Kind“ das „Opfer“ als Schimpfwort abgelöst. Es ist faszinierend, wie rasch Jugendliche gesellschaftliche Entwicklungen in ihren Alltag integrieren. Verdachtsfälle werden zu Stigmatisierten, schuld sind die anderen, aber es heißt ja auch an höheren Stellen, dass das Virus von außen zurückgeschleppt wurde. Schlepper überall!

Nun fragt man sich erstmals nicht, ob denn in den Weihnachtsferien genug Schnee zum Skifahren liegen wird, sondern ob überhaupt ein Skiurlaub möglich ist. Wahrscheinlich wird es der schneereichste Winter seit fünfzig Jahren, eine Art Ätsch der Natur, die genug hat einstecken müssen. Auch der Regen im Sommer fällt in diese Kategorie, nach dem Motto: Jetzt kommst daher! Jahrelang hast du während der schönsten Wochen des Jahres deine Zehen in griechischen Sand gesteckt, nun nimm auch das Schlechtwetter, so ist das Leben eben.

Genauer hinhören sollte man auch, wenn die innere Stimme sagt: „Ui, das wird knapp“. Egal, ob man ein paar Gläser balanciert oder das Handy, das aus welchen Gründen auch immer rundum verglast ist, wo blöd hinlegt: Was zerbrechen kann, wird zerbrechen, es ist nur die Frage, wann. Auch der Handwerker, der sagt: „Das geht sich schon aus“, weiß, dass er am Ende die Sesselleiste wegsägen wird, weil der Kasten genau einen halben Zentimeter zu breit ist. Sesselleisten sind ohnehin überschätzt.

Was uns das sagt? Die Dinge sind selten perfekt. Scherben bringen Glück. Die Lieferung wird eintreffen, bald gibt es wieder Endorphine. Die Warteliste ist lang, aber es geht sich aus.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2020)

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