Kapitalmarktunion

EU will Finanz-Flohzirkus verhindern

Valdis Dombrovskis.
Valdis Dombrovskis.(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Damit nach der Post-Brexit-Übersiedlung britischer Firmen nach Europa kein Durcheinander entsteht, will die Kommission die Finanzaufsicht straffen.

Brüssel. Trotz Corona hat die EU-Kommission nicht die Lehren aus der Eurokrise vergessen. Am Donnerstag legte die Brüsseler Behörde ihren Plan zum Aufbau einer europäischen Kapitalmarktunion vor. Im Zuge der 2008 aus den USA herübergeschwappten Finanzkrise hatte sich nicht nur gezeigt, dass manche Mitgliedstaaten der Eurozone hoffnungslos überschuldet waren, sondern auch, dass der Kapitalmarkt der Währungszone alles andere als einwandfrei funktionierte.

Der Wiederaufbau der EU-Volkswirtschaften nach der Pandemie soll jedenfalls nicht durch dieses Handicap behindert werden. „Wie belastbar die wirtschaftliche Erholung ist, wird stark davon abhängen, wie gut unsere Kapitalmärkte funktionieren“, sagte Valdis Dombrovskis, der für Wirtschaftsfragen zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, bei der Präsentation des Aktionsplans am Donnerstag. Durch den absehbaren, massiven Post-Corona-Investitionsbedarf sei diese Aufgabe umso dringlicher. Ob die Arbeit an den insgesamt 16 vorgeschlagenen Maßnahmen (darunter stärkerer Schutz der Einzelanleger, einheitliche Regeln für Firmeninsolvenzen und die Förderung privater Pensionsvorsorge) voranschreiten kann, hängt allerdings vom Willen der EU-Mitglieder ab.

Lehren aus Causa Wirecard

Neben Corona spielt allerdings noch ein zweites aktuelles Ereignis Brüssel in die Hände: nämlich der massive Betrugsskandal beim deutschen Zahlungsabwickler Wirecard. „Die Kommission wird die Auswirkungen der Causa Wirecard auf die Beaufsichtigung der EU-Kapitalmärkte bewerten und gegebenenfalls notwendige Schritte setzen, um Schwachstellen im europäischen Rechtsrahmen zu beseitigen“, heißt es in dem Aktionsplan. Dafür will man sich in Brüssel allerdings ein Jahr Zeit nehmen: Bis Ende 2021 will die Kommission darüber entscheiden, ob stärkere Zusammenarbeit der nationalen Kapitalmarktaufseher oder eine Aufwertung der Europäischen Aufsichtsbehörde angeraten seien, um einen zweiten Finanzskandal à la Wirecard zu verhindern.

Hinzu kommt der Brexit-Faktor: Dass ein Teil der in der City of London angesiedelten Finanzdienstleister in die EU übersiedeln wird, steht de facto außer Frage. Es zeigt sich allerdings ebenso deutlich, dass es in Zukunft kein einzelnes EU-Finanzzentrum geben wird, sondern eine Vielzahl von kleineren Hubs – darunter sind Dublin, Luxemburg, Frankfurt und Paris. Die Kommission will folglich einen Finanz-Flohzirkus verhindern. „Das Versagen einer nationalen Finanzaufsicht hat auf dem Binnenmarkt grenzüberschreitende Konsequenzen“, stellt Brüssel fest. Daraus ergebe sich zwingend die Notwendigkeit einheitlicher Vorschriften – und eine stärkere Rolle der in Paris beheimateten Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2020)

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