Die Staatsanwaltschaft St.Pölten weist Vorwürfe zurück, Ermittlungen bei der Hypo Niederösterreich auf politischen Druck hin gestoppt zu haben. Im Justizministerium stauen sich die unbearbeiteten Fälle.
Wien. Die Mitarbeiter des Landeskriminalamts dürfen auf Weisung der Staatsanwaltschaft St.Pölten in der Causa „Niederösterreichische Hypo Investmentbank“ nicht weiter ermitteln. Bei dem Verfahren geht es um Verdacht auf Untreue und Bilanzfälschung. „Die Erhebungen wurden nur vorübergehend gestoppt“, so Gerhard Sedlacek, Sprecher der Anklagebehörde, zur „Presse“. Von einer finalen Einstellung könne aber keine Rede sein. Die Staatsanwaltschaft habe das bisherige Material gesichtet, um zu prüfen, ob und welche weiteren Schritte notwendig seien. Ein entsprechender Bericht sei über die Oberstaatsanwaltschaft an das Wiener Justizministerium geschickt worden.
Kriminalamt will weiterarbeiten
Als „ungewöhnlich“ bezeichnete dagegen der zuständige Referent im Landeskriminalamt Niederösterreich, Klaus Preining, das Vorgehen in der Hypo-Causa. Denn es gäbe „in dieser Sache noch viel zu ermitteln. Wir sind nämlich erst mittendrin in der Arbeit und weit entfernt von einem Abschluss“, so Preining im „Standard“. Dem Vernehmen nach hatten die Beamten vor, sich als nächstes den Irland-Komplex der Hypo genauer ansehen. Dazu wäre unter Umständen ein teures Gutachten erforderlich. Die Staatsanwalt soll hier aber skeptisch sein, heißt es.
Nicht bestätigen wollte Sprecher Sedlacek Vermutungen der niederösterreichischen Oppositionsparteien, die Staatsanwaltschaft habe eine finale Einstellung des Verfahrens empfohlen und wolle sich dazu den Sanktus des Justizministeriums holen: „Der Inhalt des Berichts ist geheim.“ Die Opposition fragt sich nun, ob in der Causa politischer Druck ausgeübt wurde. „Hat die Staatsanwaltschaft vielleicht im vorauseilenden Gehorsam gegenüber Landeshauptmann Pröll gehandelt?“, will Madeleine Petrovic von den Grünen wissen.
„Was passiert hier in der Justiz in Niederösterreich? Gab es politische Interventionen? Wäre es nicht besser, wenn sich die Staatsanwaltschaft eines nicht involvierten Bundeslandes mit dieser Causa befasst?“, so Günter Steindl, Geschäftsführer der SPÖ Niederösterreich. Die Staatsanwaltschaft St.Pölten bestreitet, dass politischer Druck ausgeübt wurde. Auch Vertreter von Landeshauptmann Pröll weisen entsprechende Vermutungen zurück.
Das BZÖ droht Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) mit einem Misstrauensantrag. Wenn es um die Kärntner Hypo gehe, würden Sondereinheiten an Ermittlern losgeschickt. Bei der Hypo Niederösterreich hingegen würden auf Weisung der Staatsanwaltschaft die Erhebungen „still und heimlich gestoppt“, kritisiert BZÖ-Politiker Stefan Petzner.
In rund zwei Monaten will das Justizministerium entscheiden, wie es mit den Ermittlungen bei der „Hypo Niederösterreich Investmentbank“ weitergeht. Dies sagte eine Sprecherin von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner der „Presse“. „Wir haben den Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft erhalten und werden ihn zügig bearbeiten.“ Doch die zuständigen Mitarbeiter hätten „noch andere Akten zu erledigen“.
Bank bestreitet Vorwürfe
Das BZÖ will nun das Verhalten der Ministerin beobachten. Handle sie „im Sinne der Prölls und der ÖVP“, werde das BZÖ einen Misstrauensantrag einbringen. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hatte Hypo-Chef Peter Harold und seinen Exkollegen Richard Juill angezeigt. Beide weisen die Anschuldigungen zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Causa ist politisch heikel. Das Land Niederösterreich unter Landeshauptmann Pröll wickelt einen Teil der Finanzgeschäfte über die landeseigene Hypo ab. Die Grünen und die SPÖ fordern deswegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. „Niederösterreich darf nicht Kärnten werden“, sagen die Grünen.
Der Hypo wird vorgeworfen, über eine in Irland angesiedelte Zweckgesellschaft names Augustus Funding Darlehen in der Höhe von 800 Mio. Euro gewährt zu haben. Damit soll das Institut die erlaubte Obergrenze deutlich überschritten haben. Zudem soll das Institut die Bilanz 2008 nicht korrekt dargestellt haben, um Papiere des in die Pleite geschlitterten US-Investmenthauses Lehman Brothers teilweise verschwinden zu lassen. Die Bank bestreitet dies.
Zu viele Prominentenfälle
Im Büro von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner heißt es, dass politische Zurufe ohnehin nicht beachtet werden. Die Staatsanwaltschaften sind grundsätzlich verpflichtet, Berichte über prominente Fälle an das Ministerium weiterzuleiten. Gemeint sind laut Gesetz Verfahren, „an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, oder in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind“. Alleine im Vorjahr musste das Ministerium 500 solcher Fälle bearbeiten. Dort stehen dafür aber nur acht Mitarbeiter zur Verfügung. Diese müssen sich in teilweise sehr komplexe Verfahren einlesen (wie Hypo Alpe Adria, Buwog, Meinl oder Immofinanz). Dadurch ziehen sich die Verfahren erneut in die Länge, was auf Kritik stößt.
Um sich abzusichern, leiten die Staatsanwälte mittlerweile fast jede Causa, die nur irgendwie von öffentlicher Bedeutung ist, an das Ministerium weiter. Meinung S. 31
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2010)