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Onlinemarktplatz für faule Kredite

Der von der Coronakrise gebeutelten Wirtschaft soll unter die Arme gegriffen werden.
Der von der Coronakrise gebeutelten Wirtschaft soll unter die Arme gegriffen werden.(c) APA/AFP/LIONEL BONAVENTURE
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Die EZB forciert ein Modell, bei dem Investoren ähnlich wie bei Amazon einkaufen.

Frankfurt. Europa arbeitet an einer Website im Stil von Amazon für den Verkauf von faulen Bankkrediten im Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro. Damit soll der von der Coronakrise gebeutelten Wirtschaft unter die Arme gegriffen werden. „Die Idee ist, den Markt für Käufer von kleineren Portfolios mit einem Marktplatz im Stil von Amazon oder eBay, auf dem man browsen kann, zu öffnen“, sagte EZB-Experte Edward O'Brien, der in die Pläne involviert ist.

Die von hochrangigen Experten der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgetüftelte Vorlage ist Teil der Anstrengungen der Eurozone, den nach wie vor hohen Bestand an Problemdarlehen in den Bankbilanzen abzubauen. Faule Kredite sind für die Wirtschaft ein großes Problem. Denn eine Bank wird umso zögerlicher bei der Darlehensvergabe agieren, je mehr notleidende Kredite sie mit sich herumschleppt.

Zudem soll verhindert werden, dass diese von Hedgefonds, die auf den Erwerb von notleidenden Firmenkrediten spezialisiert sind, zu Schleuderpreisen erworben werden. Üblicherweise trennen sich Banken von ihren faulen Krediten zu Preisen, die einem Bruchteil ihres vormaligen Werts entsprechen. Mit dem Vorstoß könnte Europa ein Stück weit der Übermacht der großen Kreditinvestoren an der Wall Street Paroli bieten.

Kleine Investoren anlocken

Nach der Finanzkrise 2008 hatten große Fonds Kredite im Volumen von vielen Milliarden Euro erworben. Zum Teil sind diese Portfolios danach im Wert gestiegen. Mit der von der EZB ersonnenen neuen Plattform, die bereits nächstes Jahr an den Start gehen könnte, sollen auch kleinere Investoren angezogen werden. Diese sind möglicherweise bereit, mehr zu zahlen. So könnten auf dem Marktplatz auch Kreditpakete auf zehn Mio. Euro heruntergebrochen werden.

„Der Markt für faule Kredite wurde von sehr wenigen großen Käufern dominiert“, so O'Brien. „In einem typischen Szenario könnte eine dieser Firmen ein sehr großes Portfolio zu deutlichen Abschlägen erwerben.“ Einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zufolge wurden in Europa zwischen 2014 und 2019 mehr als 450 Mrd. Euro an Krediten verkauft – rund die Hälfte davon wurden von Cerberus, Blackstone, Lone Star und Goldman Sachs übernommen.

Der Vorschlag der EZB soll am Freitag von EU-Vertretern diskutiert werden. Ideen für den Vorstoß lieferten beispielsweise die italienische Website Blinks, die Käufer und Verkäufer von Krediten zusammenführt, sowie Schuldenauktionen durch US-Bundesagenturen. Falls die EU-Staaten zustimmen, könnte der Internetmarktplatz künftig der EU-Bankenabwicklungsbehörde SRB unterstehen.

„Erfolge beim Kaufen oder Verkaufen von faulen Krediten hängen von vielen Insider-Informationen ab. Covid bedeutet, dass es mehr faule Kredite geben wird. Jeder Verkauf muss transparent sein“, fordert etwa Boštjan Jazbec, Direktor beim SRB. Aus Sicht des EZB-Experten John Fell, der in die Pläne involviert ist, stellen notleidenden Kredite aber noch eine größere Herausforderung dar. Denn sie sind ein Problem für die gesamte Wirtschaft der Eurozone. (APA/Reuters)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2020)

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