Wirtschaftsbildung

Studie ortet tiefe Lücken im Wirtschaftswissen an den Schulen

Bettina Fuhrmann, WU Wien.
Bettina Fuhrmann, WU Wien.(c) Richard Tanzer
  • Drucken

Schülerinnen und Schüler würden sich gern mit Wirtschaftsthemen beschäftigen, fühlen sich jedoch oft nicht als aktiver Teil des Wirtschaftslebens. Das gilt es zu ändern, um auch die Financial Literacy in Österreich zu stärken.

Die Hello bank! setzt einen Schwerpunkt in der Finanzwissensvermittlung: John Gossen, in Fachkreisen als Mastermind des Newsletters „Daily DAX“ bekannt, gibt bis Ende Oktober Tipps für werdende Börsenprofis und erklärt, wie die technische Analyse von Aktien funktioniert. Auch für Einsteiger gibt es bei Österreichs führendem Online-Broker Seminare und Webinare. So wird erklärt, welche Bausteine für eine Vermögensverwaltung zentral sind, wie Trading funktioniert, aber auch, was Aktien überhaupt sind. Denn Vorwissen wird vielfach gar nicht vorausgesetzt, der Hello Bank! geht es um Know-how-Vermittlung, für Frauen wie für Männer. Die Direktbank steht mit ihren Weiterbildungsangeboten nicht allein da: Es gibt immer mehr Podcasts, Websites und Blogs, die sich mit den Geheimnissen der Geldanlage beschäftigen. Selbst die Wiener Börse setzt auf die Stärkung von Financial Literacy und appelliert deswegen an die Bundesregierung – denn die Basis dafür muss die Schule schaffen.

Es fehlt an Grundlagen

Tatsächlich: Um Geld erfolgreich anlegen zu können, braucht es Know-how – denn auch die beste Beratung kann nicht zum Ziel führen, wenn die Wissensgrundlagen fehlen. Doch das Wissen der österreichischen Jugend zu Wirtschafts-, einschließlich Finanzthemen, ist – vorsichtig formuliert – durchaus lückenhaft, wie aus einer Studie des Instituts für Wirtschaftspädagogik der WU Wien hervorgeht. Dabei wurde die ökonomische Bildung von Schülern der Sekundarstufe I (8. Schulstufe) und II (gymnasialen Oberstufe) erhoben. Auch die ergänzende Lehrplan- und Schulbuch-Analyse zeigt eine sehr selektive und eingeschränkte inhaltliche Aufbereitung des Themas quer durch mehrere Schulstufen.

Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien, fasst die Ergebnisse zusammen: „Die österreichischen Schülerinnen und Schüler sind sich bewusst, dass sie Wissenslücken im Wirtschaftsbereich haben und zeigen auch großes Interesse daran, Wirtschaftsthemen besser zu verstehen. Es fehlt ihnen jedoch das ganzheitliche Verständnis. Sie fühlen sich nur marginal von der Wirtschaft betroffen und nicht als aktiver Teil des Wirtschaftslebens.“ Laut Fuhrmann sollten die Unterrichtsmaterialien inhaltlich auf fachliche Richtigkeit geprüft und fachdidaktisch weiterentwickelt werden. Auch in der Ausbildung der Lehrkräfte könnten mehr Schwerpunkte in der Wirtschaftsdidaktik gesetzt und neue Impulse gegeben werden. Ein weiteres wichtiges Element ist ausreichend Unterrichtszeit für Wirtschaftsthemen. „Wer an diesen drei Schrauben dreht, hat viel für die Wirtschaftsbildung der Jugendlichen getan“, sagt sie.

»„Schülerinnen und Schüler sind sich bewusst, dass sie Wissenslücken im Wirtschaftsbereich haben und zeigen auch großes Interesse daran, dieses Thema besser zu verstehen.“«

Bettina Fuhrmann, WU Wien

Hohe Lebenshaltungskosten

Die finanzielle Wissensvermittlung beginnt am besten in der Familie. Dies könnte, meinen Experten, idealerweise gleich verbunden werden mit einem Ansparplan für die Kids. So lassen sich breit diversifizierte und risikooptimierte Fondssparpläne mit attraktiven Renditeaussichten, die deutlich über Sparbuchniveau liegen, bereits ab 50 Euro eröffnen. Der Einwand, dass das für Hunderttausende Menschen viel Geld ist, geht auch an Investmentexperten nicht vorbei. So berechnet die Schuldenberatung laufend, wie viel Geld ein Haushalt im Monat benötigt: Ein Paar mit zwei Kindern im Alter von sieben und 14 Jahren benötigt rund 3.600 Euro im Monat, um seine Lebenshaltungskosten zu decken – wohlgemerkt ohne Auto und mit monatlich weniger als 900 Euro Miete. Drei Viertel der Ausgaben verschlingt dabei Essen, Wohnen und Schule.

Verbunden mit schweren Mängeln im Finanzwissen ist für viele Haushalte daher nicht das Fehlen von privater Vorsorge, sondern das tiefe Loch in der Haushaltskassa das akuteste Problem, so hat allein die Schuldnerberatung Niederösterreich 2019 mehr als 4.400 Klienten betreut. Deren durchschnittliche Schulden erhöhten sich auf mehr als 103.000 Euro. Immer öfter sind Jugendliche und junge Erwachsene betroffen, denn laut Schuldnerberatern ist deren Finanzwissen „katastrophal“. Hier kann unabhängige Finanzberatung viel helfen.

Politik gefordert

Seit die WU-Studie von Fuhrmann erstellt wurde, werden mögliche Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaftsbildung diskutiert, sie müssen aber auch umgesetzt werden. Die Expertin setzt alles daran, das Wissen zu fördern und die Wissenslücken zu füllen: Fuhrmann ist auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Ökosozialen Forums. Die Aufgabe dort ist, die wissenschaftliche Basis für evidenzbasierte Politikvorschläge zu liefern – die hoffentlich auf fruchtbaren Boden fallen werden.

Information

Der Round Table fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von Hello bank! BNP Paribas Austria AG, S IMMO AG und UNIQA Insurance Group AG.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2020)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.