Legende

Golf GTI Nr. 8: Der letzte Krieger

Hört, hört! Der GTI Nr. 8 atmet optional über zwei heiße Endrohre von Akrapovic aus – schon länger eine der angesagtesten Adressen für lautstarke Legenden.
Hört, hört! Der GTI Nr. 8 atmet optional über zwei heiße Endrohre von Akrapovic aus – schon länger eine der angesagtesten Adressen für lautstarke Legenden.(c) Volkswagen AG
  • Drucken

Ich liebe den Geruch von Gummi am Morgen. Soll das nach 44 Jahren wirklich alles gewesen sein?

Na gut, haben die Deutschen den Kompaktsportler per se vielleicht nicht erfunden. Trotzdem trägt das Segment bis heute den Stempel GTI-Klasse – nach dem Auto, das es am deftigsten geprägt hat. Die Premierenkarten hatten tatsächlich ein paar Jahre früher die Italiener mit Fiat 128 Rally und Alfasud ti gelöst. Denen reichten allerdings knappe 70 PS und das Kampfgewicht eines Magermodels, um schneller zu sein als der Rest. Die Frage nach mehr Leistung wird da noch in Hinterhof-Werkstätten von Herren mit öligen Overalls und mythischen Talenten beantwortet.

Der Golf ist damals ein Auto, das die bösen Buben aus der Nachbarschaft nicht mit Kettenhandschuhen angefasst hätten. In der Zulassungsstatistik wird er sogar vom noch faderen Passat und dem paläozoischen Käfer abgehängt. Bis er über Nacht dank Organtransplantation aus dem Audi 80 GTE mit saftigen 110 PS plötzlich als Bürgerschreck erster Güte dasteht. Der 1,6-Liter-Murl bringt die sonst mit mühsamem Tuning abgerungene Power schon serienmäßig mit an Bord, dazu ein kussrot eingerahmter Kühlergrill, schwarzes Kunststoffcockpit, Schottenkarositze und Golfballschaltknauf – selten war Legendenbildung so günstig zu haben. Zumindest für VW – der Kundenpreis hebt damit schon in den sechstelligen Schillingbereich ab. Für ein Auto dieser Größenordnung Mitte der Siebzigerjahre geradezu obszön.

Was auch für die Namensgebung gilt: GT ist damals das allgemeingültige Kürzel für Gran Turismo, womit stark motorisierte Sportcoupés gemeint sind. Die bis dahin letzte Benennung als GTi trägt der Maserati 3500 und in dessen zoologischem Spektrum reicht es für den Golf gerade einmal zum Einzeller. Das dreiste Kapern der drei edlen Buchstaben ist der vielleicht genialste Schachzug der Wolfsburger, den Rotzbuben-Anspruch damit dick unterstreichend. Mit den lakonisch kettenrauchenden Reifen lässt sich der dann auch hervorragend ausleben. Der Rest ist Geschichte, von einer Baureihe zur nächsten weitergeschrieben. Auch das Nachrücken von Über-Egos à la VR6, R32 und R hat daran nichts geändert. Die Selbstlimitierung auf kunstfertig zelebrierten Frontantrieb ist ureigenes GTI-Terrain.

Falls der ID.3 irgendwann tatsächlich nicht nur fährt, sondern auch funktioniert, endet damit wohl die Golf-Ära. Vermutlich wird der Elektro-Hobel zwar auch einen sportlich programmierten Ableger zeugen – ob der ähnliche Emotionen aufkochen lässt und es gar zur generationsübergreifenden Ikone schafft, sehen wir uns gern erste Reihe fußfrei an.

»Die Ingenieure haben noch einmal mit Herzblut reingehauen: Ein Abgang mit GrandezzA.«

Vielleicht haben die Ingenieure gerade deswegen beim Achter-GTI noch einmal mit ganzem Herzblut reingehauen: Für einen Abgang mit Grandezza, ein da capo für den Helden. Dazwischen litt die Strahlkraft trotz steigender PS-Leistungen schon manchmal ein wenig unter dem Schleichgift der Perfektionierung. Der letzte Krieger des Stammes setzt das Hightech-Arsenal aber zu seinen Gunsten ein: Erstmals mischt ein zentraler Fahrdynamik-Manager das Zusammenspiel von Motorsteuerung, elektronischem Sperrdifferential und Dämpferkennung ab. Im Sportmodus bewilligt das System dann genau den Grad an Brenzligkeit, den es braucht, damit die Gaudi brodelt. Der Kraftüberschuss an der Vorderachse wird willig abgefeiert, feines Tänzeln um die Mittelauflage gibt's als Garnierung und heißen Gummi zum Nachtisch. Das Siebengang-DSG samt Paddle-Schaltung am Volant in Ehren – aber wirklich gefühlsecht wird das Gesamtpaket mit dem manuellen Schaltgetriebe. So viel handgerührte Nostalgie darf und soll auch sein. Spätestens in dem Setup zündet der Achter-GTI die Synapsen, wie sein anno '76, sein Urahn. Weil manche Dinge sich eben doch nicht ändern.

(c) Volkswagen AG

Die achte Generation

Der womöglich letzte GTI. Kann alles besser und geschmeidiger als die Vorgänger. Seltener Hightech-Mix im Dienste reueloser Gaudi.

Name: VW Golf GTI Mk. 8
Preis: 42.990 Euro
Motor: R4-Zylinder, 1984 ccm
Leistung: 245 PS bei 5000-6500 U/min
Gewicht: 1463 kg
0–100 km/h: 6,2 Sekunden
Vmax: 250 km/h

(c) Volkswagen AG

Die erste Generation

1976 ist der GTI ein Tabubrecher, von dem Golf und VW ihren Drive beziehen. Die Einspritzanlage als Highlight – dabei war Kadett früher dran!

Name: VW Golf GTI Mk. 1
Preis: 113.722 Schilling (1976)
Motor: R4-Zylinder, 1588 ccm
Leistung: 110 PS bei 6100 U/min
Gewicht: 830 kg
0–100 km/h: 10,0 Sekunden
Vmax: 183 km/h

("Die Presse - Fahrstil", Print-Ausgabe, 26.09.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.