Roman

Ein Schiff wird kommen

Ivy Pochoda: „Visitation Street“
Ivy Pochoda: „Visitation Street“Ars Vivendi
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Eine kleine Community in Brooklyn, zwei Mädchen auf Abenteuersuche und eine verhängnisvolle Nacht: Willkommen in der „Visitation Street“.

Sozialer Brennpunkt mit Blick auf Manhattan: mittendrin zwei junge Mädchen – und eine Entscheidung, die in einer Tragödie mündet.

Langweilig ist ihnen, Val und June, was könnten sie unternehmen? Sie haben doch das rosarote Gummiboot, das wollen sie am Kanal ausprobieren. Auf dem Weg treffen sie Monique, eine ehemalige Freundin, und ihre Clique, die die Mädchen eiskalt ignorieren. Am Kanal lassen sie das Boot zu Wasser, steigen ein und paddeln los. Am nächsten Morgen ist nichts mehr wie vorher. Jonathan, ein Lehrer der Mädchen, findet die bewusstlose Val, June ist verschwunden. Eine dramatische Geschichte entspinnt sich – die aber nicht erst durch dieses Ereignis seinen Ausgang genommen hat, sondern bereits viel früher.

Da ist der libanesische Ladenbesitzer, der im Konkurrenzkampf mit seinem griechischen Nachbarn steht; da ist der Lehrer, der ständig mit seinem Schicksal als ehemaliges musikalisches Wunderkind hadert; da sind die „black kids“, die wissen, dass sie nie nach Manhattan kommen werden; und da sind die vielen namenlosen Gestalten in der Bar The Dockyard, allesamt gestrandete Existenzen, die für all jene stehen, die der Vergangenheit nachhängen und auf eine rosige Zukunft hoffen, die die ankommenden Kreuzfahrtschiffe verheißen.

Sie alle verbindet etwas – manche mögen es Schicksal nennen. Ivy Pochoda zeichnet gekonnt ein realistisches, ungeschöntes Bild vom Leben und Überleben in Amerika. AB

Ivy Pochoda: „Visitation Street“, übersetzt von Barbara Heller, Ars Vivendi, 310 Seiten, 22,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2020)

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