Börse

Siemens vergibt 55 Prozent des Energiegeschäfts an Aktionäre

Siemens Energy soll seinen Weg aus der Coronakrise ohne den Mutterkonzern finden. Die Aufspaltung könnte aber Risiken mit sich bringen.
 
 

Mit dem morgigen Montag wird es frischen Wind in den Depots geben: Für Hunderte Millionen Aktien der neuen Siemens Energy startet der Handel an der Börse. Siemens Energy soll seinen Weg ohne den Schutz, aber auch ohne den Ballast den Konzerns durch die Coronakrise gehen.

Das Energiegeschäft hat eine lange Tradition bei Siemens. Im Konzernverbund gab es aber ein zentrales Problem: Es ist mit seinen langfristigen Wartungsverträgen und riesigen Auftragsbeständen zwar robust gegen kurzfristige Schwankungen, doch weniger margenträchtig als etwa das Industriegeschäft. Das machte es im konzerninternen Wettbewerb um Investitionen schwierig.

Zum Abschied hat das Unternehmen mit gut 90.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 29 Milliarden Euro noch einmal eine solide Finanzierung mitbekommen. Künftig kann und muss sich der im Frühjahr angetretene neue Energy-Chef Christian Bruch das Geld selbst am Kapitalmarkt holen - wegen eines etwas schlechteren Ratings allerdings zu voraussichtlich ungünstigeren Konditionen als Siemens.

Warnung vor Einspar- und Größeneffekten

Die Aufspaltung könnte Risiken mit sich bringen: So warnte der scheidende Siemens-Chef Joe Kaeser schon auf der außerordentlichen Hauptversammlung zur Abspaltung, dass bestimmte Einspar- und Größeneffekte verloren gingen. Vor allem ist Energy in einem sich stark wandelnden Markt unterwegs, der auch politischen Schwankungen unterliegt. Das Energy-Hauptquartier liegt deshalb nahe bei den politischen Entscheidungsträgern in Berlin, der Verwaltungssitz bleibt in München.

„Ein Champion im Energiegeschäft mit einzigartiger Breite und Tiefe“ sei das neue Unternehmen laut Siemens. Die Breite ist gleichzeitig eine Herausforderung: Siemens Energy hat zwar mit der gut zwei Drittel schweren Beteiligung an Siemens Gamesa ein starkes Windenergiegeschäft und ist auch in der wichtig bleibenden Stromübertragung tätig. Gleichzeitig liefert und wartet der Konzern aber Turbinen und andere Technik für Gas- und vor allem Kohlekraftwerke. Dieser Markt wird über die kommenden Jahrzehnte schrumpfen. Kaeser, der Energy als Aufsichtsratschef weiter begleitet, hat dem Vorstand deshalb aufgegeben, einen Plan zum Ausstieg aus der Kohle zu entwickeln.

Möglicher Standortabbau als „versteckte Drohungen"

Kaeser will zudem die bei Siemens geltende Vereinbarung zur Standortsicherung nicht übernehmen und Standorte abbauen. Das soll Produktionsketten vereinfachen, argumentiert man beim Unternehmen. Die Gewerkschaft sprach von „versteckten Drohungen" auf der Zielgeraden zur Abspaltung. Zunächst behält Siemens rund 35 Prozent an Energy, knapp 10 Prozent gehen an den Pensionsfonds des Konzerns. Beide Positionen werden über die Zeit schrumpfen, Siemens will aber Ankeraktionär mit einem Anteil von rund 25 Prozent bleiben.

Angesichts seiner Größe könnte Siemens Energy in absehbarer Zeit neben der alten Mutter Siemens Teil des Aktienindex Dax werden. Weil das auch für die andere große Siemens-Abspaltung Healthineers gilt, könnten Ende des kommenden Jahres drei Unternehmen mit dem Namen Siemens in der obersten Liga der Deutschen Börse spielen.

Bis zu drei Wochen Schwankungen an der Börse

Am Freitag wurde die Abspaltung mit dem Eintrag ins Handelsregister vollzogen. Am Montag folgt nun der Börsenstart - und der könnte alleine aus technischen Gründen turbulent werden. Jeder Siemens Aktionär bekommt pro zwei Siemens-Aktien eine von Siemens Energy hinzu. Nicht jeder kann oder will die neuen Papiere aber behalten. So müssen beispielsweise Fonds, die den Dax abbilden, die Aktie, die derzeit nicht im Dax ist, abstoßen. In Siemens-Kreisen rechnet man mindestens für zwei bis drei Wochen mit größeren Schwankungen. Erst dann werde der Kurs des neuen Unternehmens wirklich etwas über seinen Wert aussagen können - und der kombinierte Börsenwert von Siemens und Siemens Energy etwas darüber, ob Einzelteile wirklich mehr wert sind als ein Ganzes.

(APA/red.)

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