Festspielhaus St. Pölten

In mildes Licht gesetzte Menschenmenagerie

Die Zusammenarbeit von Starregisseur Robert Wilson mit dem Duo CocoRosie stellt sich auch bei der vierten Zusammenarbeit „Jungle Book“ als segensreich heraus. Ein Gastspiel, zu Recht bejubelt.
 
 

In die „Untiefen“ des Dschungels lockte man auf der Homepage des Festspielhauses St. Pölten. Tatsächlich war eher Wüste angesagt. Auf Getränkeausschank wurde nämlich gänzlich verzichtet, zum Trost auf einen Wasserspender auf der Toilette verwiesen. Von den Mühseligkeiten dieses Covid-19-Sicherheitskonzepts einmal abgesehen, wurde die österreichische Premiere des in Luxemburg uraufgeführten „Jungle Book“ in der Regie von Robert Wilson aber ein vergnüglicher Abend. Wohlgemerkt, wenn man sich keine avantgardistischen Wundertaten des lang dienenden Wilson erwartete.

Die Geschichte des von Wölfen aufgezogenen Mowgli wurde auf den heutigen Zeitgeist abgestimmt erzählt. Spuren der dem Autor Rudyard Kipling vorgeworfenen kolonialistischen Attitüde gab es keine. Dafür wurde der traurige ökologische Zustand der Welt wort- und gestenreich beklagt. Mit dem tollsten Kunstgriff überhaupt. Die Menschheit wurde bildreich beschuldigt und beschimpft, ohne dass sich die Anwesenden hätten schuldig fühlen müssen. Die famose Aurore Déon als in ein Nachthemd gekleidete Elefantin Hathi begann, vom komplizierten Idyll des Dschungels zu erzählen.

Zum faulen Groove des „Captivity Song“ wackelten die Viecherln aus allen Richtungen herbei. Der possierlich von François Pain-Douzenel zum Leben erweckte Bär Baloo stellte sich als Baumumarmer vor. Wild und unberechenbar legte hingegen Roberto Jean den Tiger Shere Khan an.

Wenn er mit der Pranke fuchtelte, zuckte das Kind noch im ältesten Besucher zusammen. „Das Dschungelbuch“, eine Allegorie auf die menschliche Gesellschaft, die ihre Widersprüche nicht auflöst, sondern sich damit begnügt, sie aufzuzeigen, ist ohnehin eher für alte Kinder geeignet. Ganz abgesehen davon, dass Zehnjährige hierzulande nicht so ohne Weiteres in der Lage sind, zwischen Englisch (Songtexte) und Französisch (Handlung) zu changieren, wäre der, bei aller Kritik, deutlich wahrnehmbare Drall zur übergreifenden Harmonie von den Greta-Thunberg-Kids wohl nicht widerspruchslos hingenommen worden. Womöglich ist die Absage der geplanten Schüleraufführung auf ähnliche Gedanken zurückzuführen.

Dank gilt der künstlerischen Leiterin, Brigitte Fürle, weil sie darauf verzichtet hat, die deutsche Version, die in Düsseldorf zu sehen war, zu übernehmen. Die französisch-englische Inszenierung passte besser zum exotischen Bühnenambiente. Die Lichtregie operierte mit gedeckten Farben. Alles Grelle wurde Darstellern und Musik überlassen.

Ein Weltstar in der Provinz!

CocoRosies quietschige Melodien und verhatschte Rhythmen wurden vom Ensemble ideal interpretiert. Hochklassig waren Lieder wie „Law of The Jungle“ und „Hide And Seek“. Die Schlange Kaa rappte mit gespaltener Zunge. Und der Bär Baloo setzte gemütlich wie einst US-Rapper Biz Markie bizarre Sprüche zum Nachdenken ab. „A whore is a cure and a curse“, brummte er einmal. Der ohnehin lose Handlungsfaden löste sich im Finale vollends auf. Die kleinen, irrsinnigen Sentenzen wie „Der Toast ist besser, wenn er verbrennt“ waren es, die sich ins Gedächtnis brannten. Am Ende gab es viel Jubel. Wilson winkte den St. Pöltnern, inmitten seiner bunten Truppe stehend, zaghaft zu. Ein Weltstar in der Provinz. Ein schönes Bild!

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