Zwischentöne

Ein böhmischer Musikant, der uns Wiener Tradition lehrte

Dieser Tage wäre der 100. Geburtstag von Václav Neumann zu feiern gewesen: Der tschechische Maestro hat auch in Wien Spuren hinterlassen.

Wenn es darum geht, Sternstunden der Wiener Staatsoper zu benennen, an die sich viele noch erinnern können, dann nimmt die Premiere von Antonín Dvořáks „Rusalka“ der Saison 1986/87 einen besonderen Rang ein: nicht nur, weil Günther Schneider-Siemssen für Otto Schenks märchenhafte Inszenierung einen wirklichen Märchenwald auf die Bühne gezaubert hatte, sondern auch, weil die Aufführung musikalisch ein singuläres Niveau erreichte. Das hatte natürlich mit der idealen Besetzung der Hauptrollen zu tun, mit Gabriela Beňačkovás zu Herzen gehender Rusalka, mit dem Prinzen von Peter Dvorský und dem Wassermann von Jewgeni Nesterenko.

Vor allem aber mit jenem Mann, der am Dirigentenpult waltete und die Philharmoniker dazu animierte, in einer Gelöstheit aufzuspielen, wie sie das wirklich nur an Feiertagen tun.
Václav Neumann war der Garant dafür, dass die Wiener Musiker gelegentlich daran erinnerten, dass der viel gerühmte Wiener Streicherklang eigentlich in der wienerisch-böhmischen Geigerschule wurzelt.

Wann immer dieser Dirigent auf dem Podium erschien, spielten die Musiker auf, wie ihnen der sprichwörtliche „Schnabel gewachsen ist“; das tun sie nur für Maestri, die sie lieben und in deren Hand sie sich wirklich wohlfühlen.

Neumann, der Mann aus Prag, war ein solcher Musiker. Er hatte in seiner Heimatstadt studiert und begründete unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg das Smetana-Quartett mit, dessen Primgeiger er war, bis er sich zur Kapellmeister-Laufbahn entschloss. Die führte ihn an wichtige Opernhäuser und auf die wichtigen Konzertpodien der Welt.
Dazu musste der Dirigent mit den kommunistischen Machthabern in seiner Heimat zwar seinen Frieden machen. Doch als die Warschauer-Pakt-Mächte den politischen Frühling in seiner Heimat gewaltsam beendeten, legte er aus Protest sein Amt als Chefdirigent des Leipziger Gewandhaus-Orchesters nieder.

Das war ein Schlag für das deutsche Musikleben, denn im Vertrauen der Klangtradition dieses Orchesters hatte Neumann gerade damit begonnen, herausragende Aufnahmen zu machen – voran grandiose, bis heute kaum egalisierte Einspielungen von Gustav Mahlers Symphonien Nr. 5 und 6, die gehört haben muss, wer über Mahler-Interpretation mitreden möchte.

Als erster Dirigent der Tschechischen Philharmonie konnte Neumann dann nicht verhindern, dass sich gegen Ende der kommunistischen Ära Ermüdungserscheinungen breitmachten. Doch bei Gastspielen im Westen blieb er ein stets umjubelter, geliebter Musikant.

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