Chronologie

Worum es im Konflikt um Berg-Karabach geht

In Jerewan versammeln sich Veteranen und Freiwillige, um die armenische Seite in Berg-Karabach als Soldaten zu verstärken.
In Jerewan versammeln sich Veteranen und Freiwillige, um die armenische Seite in Berg-Karabach als Soldaten zu verstärken.APA/AFP/KAREN MINASYAN
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Die Sowjetunion gliederte die Region mit armenischer Bevölkerungsmehrheit der Aserbaidschanischen SSR an. Der Waffenstillstand nach dem Krieg von 1992-1994 war stets ein brüchiger.

Armenien und Aserbaidschan haben ihre Kämpfe um die umstrittene Region Bergkarabach auch in der Nacht auf Montag fortgesetzt. Zwischen beiden Seiten gab es nach Angaben der jeweiligen Verteidigungsministerien schweres Artilleriefeuer. Bei den schwersten Kämpfen zwischen beiden Ländern seit 2016 waren am Sonntag zahlreiche Menschen getötet worden. Armenien verhängte ebenso wie Aserbaidschan Kriegsrecht, Armenien ordnete zudem die Mobilmachung der männlichen Bevölkerung an.

Beide Länder streiten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion über die Zugehörigkeit von Berg-Karabach, das hauptsächlich von Armeniern bewohnt wird und sich 1991 von Aserbaidschan lossagte, aber völkerrechtlich nach wie von zu Aserbaidschan gehört. Der Westen und die Länder der Region beobachten den Konflikt mit Sorge, da er den Südkaukasus zu destabilisieren droht, durch den wichtige Öl- und Gaspipelines verlaufen. Als der Konflikt im April 2016 neu aufflammte, kamen mindestens 200 Menschen ums Leben.

Die Region hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war Berg-Karabach teils unabhängig, teils gehörte es zum damaligen Armenien, teils zu den rivalisierenden Großmächten Persien oder Russland. Nach langer muslimischer Herrschaft lebten schließlich nur noch wenige (christliche) Armenier in Berg-Karabach.

Anfang des 19. Jahrhunderts siedelten unter russischer Herrschaft erneut Zehntausende Armenier aus dem Osmanischen Reich in Berg-Karabach an. Nach dem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/1916 gab es eine weitere Einwanderungswelle von Armeniern. Wasser- und Landknappheit führen dort zu interethnischen Konflikten mit Pogromen.

Es folgten zwei Jahre der Unabhängigkeit von Russland von 1918 bis 1920. Der Beginn des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach. Es kommt zum Krieg. 1923 kommt das zu dieser Zeit großteils von Armeniern bewohnte Berg-Karabach schließlich zur Aserbaidschanischen Sowjetrepublik (SSR) als Region mit Autonomierechten.

Eskalation seit 1988

Im Februar 1988 lehnte Moskau die Forderung aus Berg-Karabach ab, das Gebiet an die armenische Sowjetrepublik zu übergeben. Bei einer Demonstration in der armenischen Hauptstadt Eriwan kommt ein Aseri um. In einer Vergeltungsaktion kam es in der aserbaidschanischen Stadt Sumqayit (Sumgait) zu einem Pogrom an Armeniern mit Dutzenden Toten.

In der Folge kochte der Konflikt in Berg-Karabach hoch. Nach Unruhen kommt es zu ersten Fluchtbewegungen auf beiden Seiten. Zu dieser Zeit hat Berg-Karabach rund 190.000 Einwohner, davon 145.000 Armenier. Von den etwa 40.000 Aseris fliehen fast alle oder werden aus der Region vertrieben. Moskau verhängt vorübergehend direkte Herrschaft über Berg-Karabach und schickt Truppen.

Erfolgloser Versuch der Unabhängigkeit

Im Jahr 1991 ruft das Parlament von Berg-Karabach die unabhängige, international aber nie anerkannte "Republik Berg-Karabach" aus. Armenien sagt sich nach einem Referendum von der Sowjetunion los.

Ende des selben Jahres entzieht die Aserbaidschanische SSR Berg-Karabach in der Folge die Autonomie. Im Gebiet selbst ist die Stimmungslage eindeutig: Es gibt eine klare Mehrheit bei einem Referendum für die Unabhängigkeit.

Nach dem Ende der Sowjetunion Anfang 1992 und der erneuten Unabhängigkeitserklärung von Berg-Karbach kommt es zum Krieg. Erst 1994 tritt ein Waffenstillstand in Kraft. Die Bilanz des Krieges: 20.000 Tote, insgesamt mehr als eine Million Vertriebene.

Und die Lage bis heute wurde einzementiert: Armenien und Berg-Karabach kontrollieren den größten Teil von Berg-Karabach sowie mehrere umliegende aserbaidschanische Bezirke. Mehrere Schritt-für-Schritt-Friedensfahrpläne werden entweder von Armenien/Berg-Karabach oder Aserbaidschan abgelehnt. Berg-Karabach wählt unterdessen eigene Parlamente und Präsidenten.

Gespräche und neue Provokationen

Im Oktober 1999 fand sogar das erste von mehreren Treffen der Präsidenten Haidar Aliyev (Aserbaidschan) und Robert Kotscharian (Armenien, Ex-Präsident von Berg-Karabach) statt, die aber ebenso keine Lösung bringen, wie Treffen ihrer Nachfolger und der Außenminister beider Länder.

Das öl- und gasreiche Aserbaidschan rüstete ab 2007 massiv auf auf. Der (nach wie vor im Amt befindliche) aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev, Sohn von Haidar Aliyev, droht mit einem neuen Krieg.

Im März 2008 sterben bei Artilleriegefechten insgesamt etwa 20 Soldaten, nachdem der Waffenstilltand zuvor immer wieder gebrochen worden war. Daraufhin unterzeichnen Armenien und Aserbaidschan eine Erklärung, wonach die Friedensbemühungen intensiviert werden sollen - ohne Erfolg. Im April 2016 kommen bei den schwersten Gefechten seit dem Waffenstillstand von 1994 insgesamt mehr als 100 Menschen ums Leben.

Die aktuellen Entscheidungsträger auf armenischer Seite sind erst seit Kurzem im Amt. 2018 muss Sersch Sarkissian nach einem umstrittenen Wechsel vom Amt des Präsidenten ins Amt des Regierungschefs angesichts von Massenprotesten zurücktreten. Oppositionsführer Nikol Paschinian kommt als Regierungschef an die Macht.

2020 wurde Araik Haratjunian zum neuen "Präsidenten" von Berg-Karabach gewählt. Ende September eskalierte die Lage schließlich erneut, beide Länder verhängen das Kriegsrecht.

(APA)

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