Mit den Zetteln oder Apps in der Gastronomie bringt die unsägliche Plage noch eine Mühseligkeit mehr. Trotzdem ist die Registrierung das kleinere Übel.
An einem verregneten, trüben Montagmorgen im Herbst der Pandemie, der auch für die kommenden Monate wenig Erbauliches verspricht, da offenbart sich in Wien der Rebellengeist. Wüste Debatten, Streits, Auskunftsverweigerung - davon wird am ersten Tag, an dem man sich in Lokalen zwecks möglicher Kontaktverfolgung registrieren sollte, erzählt. Vier von zehn Gästen sollen am ersten Vormittag verweigert haben, ihre Daten zu hinterlassen. Datenschutz und die Sorge, dass man in Quarantäne muss, weil zugleich jemand Infiziertes in einem Lokal war sind dafür die verständlicheren Gründe, bei den anderen geht es um die „erfundene Pandemie", die „bessere Grippe“, um Diktatur, von der manche scheinbar meinen sie beginne mit der Totalüberwachung des Frühstückskaffees, man kennt das ja.
Man kennt diese Sorgen mehr als zur Genüge, im Fall Datenschutz und möglicher missbräuchlicher Verwendung teilt man sie sogar und vor allem aber teilt man die Pandemiemüdigkeit. Mit den Zetteln und Online-Formularen hat die unsägliche Plage noch eine Mühseligkeit mit sich gebracht. Dabei hätte man mit den steigenden Zahlen, mit Verdachtsfall um Verdachtsfall ringsum, angesichts der Aussicht auf zumindest ein weiteres, ein trüberes, dunkleres halbes Jahr der Pandemie mehr als genug davon.
Ob es einen noch sehr freut, an deren Eindämmung mitzumachen, fragt nur mangels Alternative blöderweise niemand. Ob die Seuchenbekämpfung der erste Ort ist, um die Datenschutz-Rebellion zu starten, darf man indes in Frage stellen. Dem Stammwirt Name, Handynummer und eine (man könnte ja eine eigene dafür einrichten) Mail-Adresse nicht zu verraten, während man einem bis vielen Digital-Konzernen ungeschaut viel Privateres überlässt, vom kompletten Bewegungsprofil über alle Kommunikations-, Einkaufs-, Sport- oder Streaming-Gewohnheiten bis zu getrackten Körperfunktionen?
Kann man machen. Man kann auch eines der gelinderen Mittel in der Seuchenbekämpfung sabotieren, das gelang ja bei der Stopp-Corona-App (trotz grünen Lichtes diverser Datenschützer) auch schon. Man kann für ein bisschen Rebellion vielleicht die Seuche verschleppen oder zumindest ihre Eindämmung erschweren. Wenn die Fälle noch mehr werden, die Kontaktverfolgung vollends scheitert, wenn Covid-Stationen voller werden, wenn Kinder nur noch mit Masken miteinander spielen dürfen oder Alte wieder ganz isoliert werden müssen, wenn die Wirte dann auch in Wien um 22 Uhr - und bald vielfach wohl ganz - zusperren müssen, dann kann man sehr stolz auf sich sein, dass einem damals der grandiose Schmäh gelang, Schneewittchen und Donald Trump auf Zettel zu schreiben. Oder man könnte das kleinere Übel hinnehmen, vielleicht hilft es ein wenig. Der Rebellengeist findet noch einen besseren Einsatzort.