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"Glücksspielwoche" im Ibiza-U-Ausschuss beginnt

IBIZA-U-AUSSCHUSS: LOKAL 7
IBIZA-U-AUSSCHUSS: LOKAL 7APA/HERBERT P. OCZERET
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Die Abgeordneten im U-Ausschuss widmen sich diesmal möglichen Absprachen in der türkis-blauen Regierung rund um das Thema Glücksspiel. Befragt wurde am Nachmittag ein Novomatic-Manager. Um den Vorsitzenden, Sobotka, gab es erneut Wirbel.

Das sogenannte „Ibiza-Video“ stellte im Mai 2019 die politische Landschaft Österreichs auf den Kopf. Es führte zum Platzen der türkis-blauen Koalition und katapultierte den damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler, Heinz-Christian Strache, ins Abseits. Die politische Aufarbeitung folgt nun ein Jahr danach im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. „Die Presse“ hält Sie hier versorgt mit Updates aus der Hofburg.

Wer sind die Auskunftspersonen am Dienstag, 29. September?

  • Eva H., Anwältin und früher stellvertretende Kabinettschefin des damaligen Finanzministers, Hartwig Löger (ÖVP), war als erste Zeugin an der Reihe. Sie war früher bei den Neos aktiv, kam dann 2017 zur ÖVP und arbeitete als Büroleiterin für Thomas Schmid, der da Kabinettschef im Finanzressort, später dort Generalsekretär und bekannterweise anschließend der Alleinvorstand der neuen Bundesbeteiligungsagentur, der Öbag, wurde. H. ist heute nicht mehr im Ministerium tätig. In den Regierungsverhandlungen zu Türkis-Blau war sie als Expertin in der Justiz-Gruppe mit am Tisch. Mittlerweile ist sie Teil des Aufsichtsrats der ÖBB Infrastruktur.

  • Als zweite Auskunftsperson ist am Dienstag Novomatic-Manager Alexander L. geladen. Er leitet die Rechtsabteilung des Glücksspielkonzerns.

  • Die dritte Auskunftsperson, ein Beamter des Finanzministeriums, konnte nicht mehr befragt werden. Nach 18 Uhr konnte kein Einvernehmen unter den Fraktionen mehr hergestellt werden, FPÖ und ÖVP waren dagegen.

Updates aus dem U-Ausschuss:

  • H.s Befragung barg keine großen Überraschungen. Sie gab an, die Glücksspielnovelle 2018 in Begutachtung geschickt zu haben, die kurz darauf wieder zurückgezogen wurde. Sie bestätigte zuvor getätigte Aussagen, dass dies wegen der fehlenden "Spiegelung" - also dem Abgleich zwischen den Koalitionspartnern ÖVP und FPÖ - geschehen sei. Zur Glücksspielnovelle per se, die auch aufgrund ihres spontanen Zurückziehens aus der Begutachtung im Fokus des U-Ausschusses steht, berichtete die einstige hohe Beamtin, dass die Novelle schon bei ihrem Eintreten in ihre Funktion als wichtiges Thema gehandelt worden sei: Schmid habe sie damals "eindringlich gebeten, in Bezug auf das IP-Blocking etwas zu unternehmen", und einen Gesetzesentwurf vorzubereiten. Einen Entwurf habe es schon von der Vorgängerregierung aus SPÖ und ÖVP gegeben, sagte H.
  • Ein von der Glücksspielabteilung im Finanzministerium erarbeiteter Entwurf sei dann auch an mehrere Stellen - darunter an den für Glücksspiel zuständigen damaligen Finanzstaatssekretär, Hubert Fuchs (FPÖ) und an das Kabinett des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) - ergangen, berichtete H. Danach seien "relativ positive Rückmeldungen" zurückgekommen. Auch der zuständige Referent im Ressort habe gemeint, die Novelle sei "in Ordnung", weswegen der Text auch in Begutachtung geschickt worden sei. Warum der Entwurf nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen wurde? Dieser sei mit anderen Ressorts nicht "gespiegelt" worden, gab die Auskunftsperson an. Ähnliches hatte der damalige Regierungskoordinator der Freiheitlichen, Norbert Hofer, im Ibiza-Untersuchungsausschuss erwähnt. Zum ehemaligen FPÖ-Staatssekretär Fuchs habe sie in der Causa Glücksspielnovelle keinen Kontakt gehabt, erklärte H. außerdem.
  • Nachdem die Novelle zurückgezogen worden war, habe man versucht, diese neuerlich auf den Weg zu bringen. Inhaltlich habe das FPÖ-geführte Staatssekretariat auf eine Verschärfung des Vollzugs gedrängt und das Vizekanzleramt Straches wollte mehr Förderungen für den Sport. Pokercasinos seien ebenso wie zusätzliche Online-Lizenzen "niemals Thema" gewesen. Die einzige Lizenz hätten die Casinos bis 2027 - und dafür gebe es einen Vertrauensschutz, so H. Etliche Vorhaben, die angeblich zum Vorteil für die Novomatic ausgefallen wären - wie ein Fünf-Säulen-Modell mit Bundeskonzessionen für Glücksspielautomaten -, seien der Mitarbeiterin Lögers zufolge lediglich auf Referentenebene angedacht gewesen und hätten im Entwurf keinen Niederschlag gefunden.

  • Blockiert wurde die Befragung teilweise durch ein Hin und Her wegen Wolfgang Sobotka (ÖVP): Der Nationalratspräsident ist Vorsitzender des U-Ausschusses, gleichzeitig wurde er aber auch schon im U-Ausschuss als Auskunftsperson befragt. Bei einer Frage an H. zum ÖVP-nahen Alois-Mock-Institut, dessen Präsident er ist, wollte Sobotka den Vorsitz nicht abgeben; daraus entspann sich eine lange Geschäftsordnungsdebatte. Sobotka erklärte sich nicht für befangen, vertreten werden konnte er deshalb nicht. Eine Klarstellung kam von der Zweiten Nationalratspräsidentin, Doris Bures (SPÖ), die die Vertretung übernehmen hätte sollen: Sie sei von Sobotka mit dem "dringenden Ersuchen" kontaktiert worden, die Vorsitzführung kurzfristig zu übernehmen. Bei ihrem Eintreffen im Ausschusslokal habe sie aber feststellen müssen, "dass es keinen ersichtlichen Grund für eine Vertretung des Vorsitzenden gab", denn: "Da der Präsident sich weder für befangen erklärte und sogar bei der Befragung persönlich im Ausschusslokal anwesend sein wollte, war keine Vertretungsvoraussetzung erkennbar."

  • Zur zurückgezogenen Glücksspielnovelle berichtete indes der Novomatic-Manager, L., dass ihm diese im Rahmen des Begutachtungsverfahrens übermittelt worden und diese im Konzern "für gut befunden" worden sei. "Ich persönlich habe diese Novelle ausdrücklich befürwortet", schilderte er. Aber: "Die Gründe der Zurückziehung waren mir unbekannt - bis zum Ermittlungsverfahren." Eine Diskussion über L.s Status entspann sich außerdem, da dieser gleich zu Beginn betont hatte, dass er sich entschlagen wolle, weil er in den Casinos-Ermittlungen als Beschuldigter geführt wird. Er habe noch keine Akteneinsicht erhalten, könne also auch nicht wissen, was ihm konkret vorgeworfen werde. Zudem habe er heute medial über eine weitere Anzeige durch SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer erfahren. Legat blockte alle Fragen, die nur im entferntesten mit den Casino-Ermittlungen zu tun haben könnten, ab und provozierte damit laufend Geschäftsordnungsdiskussionen. Etwa beim Thema Alois-Mock-Institut. Dabei behauptete L., der auch Aufsichtsrat von Admiral Sportwetten ist, dass dieses nach seinem "Kenntnisstand" Teil des Ermittlungsverfahrens sei, was etwa Andreas Kollross (SPÖ) in Zweifel zog. Nach mehrmaliger Nachfrage zu einer etwaigen Kooperation mit dem Alois-Mock-Institut meinte er persönlich davon aus den Medien erfahren zu haben, sonst sei ihm nichts erinnerlich. Er sei nicht in alle Kooperationsverträge eingebunden ("Ich kenne nicht alle, bin nicht in jedes Detail involviert"). In seiner Abteilung gebe es viele fähige Mitarbeiter. Er gehe aber davon aus, dass Kooperationen immer in einem Vertrag abgebildet werden.
  • Vor Beginn von H.s Befragung hatten die Fraktionsführer im U-Ausschuss in ihren Statements die "Glücksspielwoche eingeläutet". Hintergrund ist der Verdacht, dass die Novomatic im Gegenzug für Zusagen neuer Lizenzen den FPÖ-Lokalpolitiker und Manager Peter Sidlo als Finanzvorstand der Casinos Austria unterstützt haben könnte - hier ermittelt auch die Justiz. Im U-Ausschuss geht es um die politische Dimension. Unter anderem soll es diese Woche um die Frage gehen, wer auf wen Einfluss genommen haben könnte: Es gehe gewissermaßen um eine "Beziehungsarbeit zwischen Politik und Glücksspiel", erklärte Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli. Für FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker geht es indes auch darum, zu klären, wie die Abläufe im Finanzministerium sich dargestellt hätten - insbesondere was das Glücksspiel anbelangt. Hafenecker regte zudem an, die Generaldirektorin der Casinos Austria, Bettina Glatz-Kremsner, nochmals zu laden, nachdem tags zuvor SMS zwischen ihr und Strache über Sidlo bekannt geworden waren. Glatz-Kremsner hatte bei ihrer Befragung ein Gespräch mit Strache über Sidlo in Abrede gestellt. Glatz-Kremsner bestreitet eine Falschaussage.
  • Noch vor Beginn der Befragungen brachte SPÖ-Fraktionsführer Krainer eine Anzeige u. a. gegen den türkis-blauen Regierungskoordinator und heutigen Finanzminister, Gernot Blümel (ÖVP), dessen Vorgänger, Löger, und Öbag-Chef Schmid sowie Ex-Novomatic-Chef Neumann wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Falschaussage und der Bestechlichkeit ein. Hintergrund ist eine vermutete Absprache zwischen dem ÖVP-geführten Finanzministerium und der Novomatic im Vorfeld einer Casag-Hauptversammlung im Juni 2018. Der U-Ausschuss sei im Besitz von Unterlagen, die eine "enge Abstimmung" zwischen den Akteuren des Finanzministeriums und der Novomatic belegen würden. Diese könnten laut Krainer einen "wesentlichen Beitrag zur Aufklärung" leisten. Die Unterlagen würden nun im Zuge der Sachverhaltsdarstellung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gehen.

(APA/Red.)

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