Luftig, hell, wandelbar und ein bisschen wie ein moderner Wohn-Salon: Das 2020 eröffnete CBRE-Office in Brüssel.
Zukunft der Arbeit

Coronakrise: Fünf Thesen für die Zeit „danach“

Was wird von Corona in der Arbeitswelt bleiben, wenn die akute Gefahr gebannt ist? Drei Experten zu den derzeit kursierenden Theorien – vom Homeoffice für immer bis zum Ende der Klimaanlagen.

Und plötzlich ging es doch: Jahrelang hatten heimische Führungskräfte und Vorstandsvorsitzende unzählige Gründe dafür vorgebracht, warum Homeoffice zwar grundsätzlich eine gute Sache, aber in ihrem Haus absolut nicht möglich sei. Mitte März wanderte dann plötzlich fast die ganze Nation eben dort hin – und siehe da: Es ging doch. Was aber heißt das nun für das Arbeiten nach dem Virus? Wollen dann alle daheim bleiben oder steigt die Sehnsucht nach dem Büro jeden Tag? Trösten sich die Vorgesetzten mit dem Rechenstift über den vermeintlichen Kontroll- und Kontaktverlust hinweg, da pro Tag Homeoffice 20 Prozent weniger Quadratmeter gemietet, möbliert und geheizt werden müssen? Und werden Dienstreisen und Meetings mit Menschen aus Fleisch und Blut wieder Alltag oder bestimmen den Zoom-Begegnungen in technisch immer ausgefeilteren Varianten?

Wir haben Experten für Workspaces nach ihren Einschätzungen für die Zukunft befragt und dazu, wie sie die derzeit kursierenden Thesen einschätzen.

Homeoffice-Shed im Garten in den USA.
Homeoffice-Shed im Garten in den USA.(c) studio shed

These 1 „Homeoffice wird bleiben, manche werden gar nicht mehr ins Büro zurückwollen.“

„Büros wird es immer geben“, ist Andreas Ridder, Managing Director CBRE Austria & CEE, überzeugt. „Dafür muss man sich nur einmal die Frage stellen, wie sich ein Super-Studienabgänger, der zwei Angebote hat – einmal auch mit einem Büro und einmal nur im Homeoffice – entscheiden wird“, verdeutlicht er.

Auch Thomas Fundneider, Innovations- und Strategieberater sowie Geschäftsführer von The Living Core, weiß um die ambivalente Beziehung der Menschen zu ihren Arbeitsplätzen: „Da hat man in den vergangenen Monaten ja auch in den sozialen und anderen Medien zwei Wellen beobachten können. Zuerst fanden es alle ganz super, dass sie nun von daheim aus arbeiten und sich das Pendeln und Reisen sparen konnten. Aber dann wurde die Sehnsucht nach dem Büro doch immer größer.“

»Im Büro bildet sich die Verwurzelung im Unternehmen und in dessen Kultur – ohne die die Mitarbeiter wie Treibholz herumdriften.«

Was der Berater auch darauf zurückführt, dass das Arbeiten im Homeoffice heuer „mit vollen Kanistern an sozialem Kapital“ gestartet wurde – also vor dem Hintergrund, dass man die Kollegen und Vorgesetzten persönlich kannte, wusste, wo man Hilfe bekam, wer welchen Humor hat und wer eher gar keinen. „Ein solcher Kanister leert sich aber mit der Zeit und muss dann natürlich neu befüllt werden“, erklärt er.

Außerdem bleibe das Büro ein wichtiger Ort, an dem die Bindung zum Mitarbeiter hergestellt wird, ist Ewald Stückler, Geschäftsführer von Tecno Office Consult, überzeugt: „Dort bildet sich die Verwurzelung im Unternehmen und in dessen Kultur – ohne die die Mitarbeiter wie Treibholz herumdriften.“ Wobei die Versuchung für die Finanzverantwortlichen natürlich groß sei, teure Büroquadratmeter einzusparen, wenn die Mitarbeiter doch ohnehin so gern von daheim aus arbeiten.

„In großen Firmen, in denen es früher fünf bis zehn Prozent Homeoffice gab und jetzt 30 bis 40 Prozent, haben wir gleich einmal 350 Leute mehr untergebracht, ohne dass dafür eine Wand umgelegt werden musste“, verdeutlicht Stückler das Sparpotenzial, das sich plötzlich für die durch Corona ohnehin gebeutelten Unternehmen auftut. „Das braucht man nicht schönreden“, ist er realistisch.

Von The Living Core konzeptionierte Lounge der Tomaselli Gabriel BauGmbH in Vorarlberg.
Von The Living Core konzeptionierte Lounge der Tomaselli Gabriel BauGmbH in Vorarlberg.(c) Tomaselli Gabriel BauGmbH

These 2: „Wenn die Mitarbeiter weniger Zeit im Büro verbringen, müssen diese auch nicht mehr so aufwendig gestaltet werden.“

Ganz im Gegenteil, sind die Experten einig. „Es wird sogar noch viel wichtiger, dass das Büro etwas kann“, ist Ridder überzeugt. „Zumindest dann, wenn es um Unternehmen geht, in denen Kommunikation und Kreativität gefragt sind, muss das Unternehmen den Raum dafür bieten.“ Denn wenn der Weg ins parallel existierendes Homeoffice immer freiwilliger wird, müsse das Büro entsprechend attraktiver sein. „Es wird eher noch mehr in Richtung Wohnatmosphäre gehen“, ist Stückler überzeugt. „Und neben Arbeitsplätzen, die immer stärker losgelöst vom fixen Schreibtisch sind, wird es auch weiterhin Recreation-Areas wie den Billardtisch geben, wo man gern ein wenig länger bleibt.“ Überhaupt habe Covid durchaus als Trendverstärker dafür gedient, „darüber nachzudenken, was der eigentliche Zweck der gebauten Hülle für ein Unternehmen ist“, erklärt Fundneider. Denn idealerweise sorge diese für den optimalen Rahmen, in der die Aufgaben zur Herstellung eines guten Produkts oder einer Dienstleistung erfüllt werden können. „Und dabei geht es oft viel mehr um Prozesse und Strukturen als um Räume.“

These 3: „Dienstreisen und Meetings wird es nur mehr sehr beschränkt geben.“

In diesem Bereich wird es nachhaltig die einschneidendsten Veränderungen geben, prophezeien die Experten einstimmig. „Hier hat Covid definitiv etwas beschleunigt, was schon da war. Das war der Dünger, der das Gras zum Wachsen gebracht hat“, ist Fundneider im Hinblick auf den Siegeszug der Zoom-Meetings und anderer Videokonferenzen überzeugt. Corona habe die Menschen gezwungen, sich mit den digitalen Tools auseinanderzusetzen, und nachdem das nun alle notgedrungen getan haben, gäbe es eher keinen Weg zurück.

»Große Touchscreens für digitale Meetings werden häufiger.«

Stückler sieht darin ebenso einen „enormen Treiber, der dafür sorgen wird, dass Geschäftsreisen extrem zurückgehen werden und dafür Konferenztechniken besser und günstiger werden“. Was laut Ridder dann auch nötig sein wird, denn bei allen Erfolgen hake es manchmal noch im Detail: „Beispielsweise dann, wenn fünf Mitarbeiter per Zoom und fünf persönlich an einem Meeting teilnehmen, gibt es Verbesserungsbedarf, damit man alle gleich gut hören kann.“ Außerdem werde die wachsende Zahl an digitalen Meetings dafür sorgen, dass etwa große, interaktive Touchscreens verstärkt Einzug in die entsprechenden Räume halten werden. Einig sind sich aber alle drei auch darin, dass sie zwar viele, aber bei Weitem nicht alle persönlichen Treffen durch digitale Lösungen ersetzen lassen. Manchmal müsse man das Gegenüber einfach persönlich sehen können – oder vermisse Dinge wie einen schönen Hotelaufenthalt oder ein gemeinsames Abendessen mit Kunden oder Kollegen.

These 4: „Auch die Hardware – von den Standortentscheidungen über die Grundrisse bis zur Haustechnik – wird sich massiv verändern.“

„Ein großes Thema wird sicherlich die Haustechnik sein“, ist Stückler überzeugt. Da werden Möglichkeiten interessant, dass man die Klimaanlage wegschalten und die Fenster öffnen kann.“ Und langfristig auch einzelne Stockwerke entkoppeln zu können, wenn etwa in den unteren Etagen eines Turms ein Cluster auftaucht. Außerdem kann sich der Berater neue Zonierungen vorstellen, mit denen noch verstärkter dafür gesorgt werden wird, dass etwa die Räume, zu denen Besucher Zutritt haben, eher direkt nach dem Empfang angesiedelt werden, sodass diese gar nicht mehr in die weiter hinten liegenden Bereiche der Mitarbeiter gelangen.

Holz, Glas und kleine grüne Hingucker: Bürokonzept von Techno Consult für Mundipharma im Icon Vienna, 2019/2020.
Holz, Glas und kleine grüne Hingucker: Bürokonzept von Techno Consult für Mundipharma im Icon Vienna, 2019/2020.(c) Tecno consult

Für Fundneider können darüber hinaus neue Konzepte auch so gedacht werden, dass Bewegungsströme im Bedarfsfall besser organisierbar sind. Etwa, indem nicht alle durch das Foyer hinein- und hinausgehen, sondern durch getrennte Ein- und Ausgänge eine Art Rundgang entsteht, auf dem sich nicht alle begegnen müssen. Auch kontaktlose Zugangssysteme werden sicherlich immer mehr zum State of the Art werden. Ridder sieht außerdem mögliche Auswirkungen auf die Standortpolitik, die nicht zuletzt Einfluss auf den Städtebau haben könnte: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Leute durch die vermehrte Möglichkeit zum Homeoffice wieder etwas verstreuter leben werden“, so der Experte.

Denn wer nicht täglich ins Büro pendeln müsse, sei eher bereit, eine halbe Stunde mehr Anfahrtszeit in Kauf zu nehmen. „Was durchaus Auswirkungen darauf haben könnte, ob wir wirklich alle wie prophezeit in 30 Jahren in sogenannten Mega-Städten leben werden. Oder ob sich Unternehmen überlegen, das neue Headquarter statt in Paris oder London lieber in Wien oder Amsterdam anzusiedeln – wo nicht überall Hochhäuser stehen.“ Denn diese haben derzeit zumindest als Bürotürme unter anderem durch die Notwendigkeit, auch im Lift Abstand zu halten, ihre ganz eigenen Probleme. „Da hat kürzlich ein Unternehmen in New York berechnet, dass ihre Mitarbeiter derzeit theoretisch zunächst vier Stunden anstehen müssten, um mit dem Lift nach oben zu kommen. Und dann wieder vier Stunden für den Weg retour.“

These 5: „Corona wird auch nachhaltige Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und das künftige Miteinander haben – etwa auf den niesenden Kollegen, der trotzdem ins Büro kommt.“

Dessen Zeit dürfte nach Einschätzung aller Experten wirklich abgelaufen sein. Wer künftig als „Virenmutterschiff“ im Büro auftaucht statt von daheim zu arbeiten, wird sich definitiv auf Gegenwind gefasst machen müssen. Das Ende der Teeküche sehen aber nicht alle gekommen, auch wenn bis zum Impfstoff sicherlich noch stärker darauf geachtet wird, dass die Hygienevorschriften im Gemeinschaftskühlschrank strikt eingehalten werden. „Aber wenn der Impfstoff da und damit die Ansteckungsgefahr weg ist, werden auch die Teeküchen wieder genutzt werden wie vorher“, ist Stückler überzeugt.

Umfrage

Laut der derzeit aktuellen „Mieter-Blitzumfrage 2020“ von CBRE für den Wirtschaftsraum Emea
(Europa, Naher Osten und Afrika) planen 88 Prozent der Unternehmen in Europa beziehungsweise in der Region Emea in Zukunft mehr in Technologien zu investieren.

92 Prozent der befragten Unternehmen, die Büros gemietet haben, erwarten eine höhere Akzeptanz von Remote Work und priorisieren daher Investitionen in Technologien.

Kontaktlose Technologien in Gebäuden erachten 45 Prozent als interessant, 41 Prozent interessieren sich für nachhaltige Features.

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