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Brexit: EU-Kommission startet rechtliche Schritte gegen London

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am DonnerstagAPA/AFP/POOL/JOHANNA GERON
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Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigt wegen des neuen britischen Binnenmarktgesetzes, das den Brexit-Vertrag einseitig teilweise aushebelt, den Start eines Vertragsverletzungsverfahrens an.

Wegen der geplanten einseitigen Änderungen am bzw. Verstöße gegen den Brexit-Vertrag hat die EU ein Verfahren gegen Großbritannien gestartet. Ihre Behörde habe an die Regierung in London ein Schreiben geschickt, das der erste Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren sei, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag. Das Verfahren kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen, der Geldstrafen gegen Großbritannien verhängen könnte.

Hintergrund ist das britische Binnenmarktgesetz, das am Dienstag vom Unterhaus beschlossen wurde und das Teile des bereits gültigen Austrittsvertrags, konkret die zollrechtliche Abgrenzung zwischen Großbritannien, Nordirland und der EU, aushebeln soll. Die EU-Kommission hatte der britischen Regierung ein Ultimatum bis Mittwoch gesetzt, die umstrittenen Klauseln des Gesetzes zurückzunehmen.

Da dies nicht geschah, verschickte die Brüsseler Behörde nun eine offizielle Anzeige nach London, dass sie eine Verletzung des Vertrags sehe. Von der Leyen gab der britischen Regierung einen Monat zur Stellungnahme. Es ist der erste Schritt eines Verfahrens, das letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof enden könnte.

Verstoß gegen Wiener Vertragsrechtskonvention

Das Binnenmarktgesetz, das noch vom britischen Oberhaus behandelt werden muss, wäre ein Verstoß gegen das im Vertrag festgelegte Prinzip des "guten Glaubens" und konkret gegen das Protokoll für Nordirland, sagte von der Leyen. Völkerrechtler erkennen darin auch einen eindeutigen Verstoß gegen einen Artikel der Wiener Konvention über das Recht der völkerrechtlichen Verträge von 1969, wonach sich ein Staat nicht auf innerstaatliches Recht berufen kann, um die Nichterfüllung eines völkerrechtlichen Vertrages zu rechtfertigen.

Trotz des nun gestarteten Verfahrens werde die EU weiter auf volle Einhaltung des Austrittsvertrags pochen und sich selbst auch daran halten. "Wir stehen zu unseren Verpflichtungen", sagte von der Leyen.

Das Nordirlandproblem

Die EU hatte die Pläne von Premierminister Boris Johnsons als Vertrauensbruch und Verstoß gegen internationales Recht verurteilt. Die britische Regierung bezeichnet sie hingegen als "Sicherheitsnetz" für den Fall, dass vor Jahresende kein Handelsvertrag mehr mit der EU gelingt. Sie will damit vertraglich vereinbarte Sonderklauseln für Nordirland aushebeln.

Die britische Provinz auf der irischen Insel soll nach dem Brexit-Vertrag enger an den EU-Binnenmarkt und die Zollunion gebunden bleiben, was Kontrollen im Güterverkehr mit dem übrigen Vereinigten Königreich nötig macht. London warnt, damit könnte Nordirland vom Königreich auch staatsrechtlich und politisch abgekoppelt werden. Im Brexit-Vertrag hatte Johnson dies jedoch noch akzeptiert.

Trotz des Streits über das Binnenmarktgesetz laufen diese Woche wieder Verhandlungen über den anvisierten Handelspakt beider Seiten für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase.

Großbritannien verlässt Ende des Jahres auch den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Ohne Anschlussvertrag droht ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und anderen Handelshürden.

(APA/AFP/wg)

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