Kolumne zum Tag

Weiße Schuhe im Matsch und den Ton auf stumm

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Geselligkeit ist etwas Schönes, wenn sie nicht aus dem Lautsprecher tönt.

Diese innere Gereiztheit fühlt sich an wie das innere Jucken, das nur Allergiker kennen, oder Restless Legs, die auch ganz friedliebende Menschen rasend machen können, ebenso wie ihre Mitmenschen, wenn jemand am Beifahrersitz unvermutet mit den Beinen zu zappeln beginnt. Es gibt Zustände der Unruhe, für die es kein unmittelbares Hilfsmittel gibt. Man muss sie wohl nehmen wie ein Pfeifen im Ohr und so wenig Aufmerksamkeit wie möglich darauf verwenden.

Damit einher geht auch eine seltsame Ambivalenz, was Geselligkeit betrifft. War man anfangs froh, zumindest per Videokonferenz mit mehreren Menschen auf einmal sprechen zu können und Stimmengewirr wie einen warmen Sommerregen zu empfinden, so schalten nun viele ihre Mikrofone auf stumm und ahnden jede Art von Fremdgeräuschen. Das Leben hat hier nichts verloren. Weder das Essen von Keksen noch das Knirschen von Schritten im Kies, kein Hüsteln und kein Tratschen im Hintergrund.

Den anderen einfach nicht mehr ertragen konnte auch der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden: „Will you shut up, man“ rief er Donald Trump zu, und wenn schon ein lebenserfahrener Mensch „Halt die Klappe“ ruft, was soll man dann den Kindern sagen, die sich Videos anschauen, in denen jedes fünfte Wort „Fresse“ ist. Lustig, eine Zeit, in der so viele so viel quatschen und gleichzeitig den anderen den Mund verbieten.

Aber es ist besser, sich auf Dinge zu konzentrieren, die sich positiv entwickeln, und da gibt es im Handel einige überraschende Verkaufsschlager. Kuschelige Decken für Gastgärten verkaufen sich gut, ebenso fingerlose Handschuhe und schneeweiße Schuhe. Eine coolere Art, dem Herbst und dem ganzen Dreck eine hochgezogene Augenbraue zu zeigen, gibt es kaum.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2020)

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