Gastkommentar

Kraut- und Rübenpolitik

Mit den Beschlüssen des „Rübengipfels“ macht Österreichs Landwirtschaft einen großen Schritt zurück ins vorige Jahrhundert.

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Die Beschlüsse beim jüngsten „Rübengipfel“ werden politisch als Stärkung für die angestrebte Selbstversorgung mit Lebensmitteln verkauft. In Wahrheit macht die österreichische Landwirtschaft damit einen großen Schritt zurück ins vorige Jahrhundert. Nebenbei wird auch noch ein weiteres Bienensterben in Kauf genommen.

Wenn man in der Landwirtschaft eines sicher weiß, dann ist es die Tatsache, dass Zucker kein wirklich tolles, umwerfendes Produkt ist. Über Jahrzehnte hinweg war Zucker der Gottseibeiuns aller internationalen Agrarverhandlungen. Es gab viel zu viel davon, man wusste nicht, wohin damit. Jedes Gramm Zucker auf dem Weltmarkt war ein Gramm Zucker zu viel. In den vergangenen Jahren hat sich die Lage diesbezüglich zwar ein wenig entspannt – wohl auch, weil Bioethanol aus Rohrzucker eine bedeutende Rolle bei der Erzeugung von Biokraftstoff spielt. Dennoch ist der Anbau von Zuckerrüben in Europa – und somit auch in Österreich – seit Jahren rückläufig. Zu kleinteilig ist unsere Produktion, die zudem noch den landwirtschaftlichen Boden rasch auslaugt. Schlussendlich ist auch noch Zucker aus Zuckerrohr viel effizienter und ressourcenschonender herzustellen als Rübenzucker. Daher ist Zucker auch eines der wenigen Agrarprodukte, die die ärmsten Entwicklungsländer der Welt zoll- und kontingentfrei in die EU verkaufen können. Wer jetzt heimische Zuckerproduktion subventioniert, torpediert damit auch gleich noch erfolgreiche Entwicklungspolitik und somit die viel strapazierte „Hilfe vor Ort“. Mit einem Wort: Mit Zuckerrüben ist nicht einmal der sprichwörtliche Blumentopf zu gewinnen. Eigentlich nicht verwunderlich bei einem Endprodukt, das man im Supermarkt aktuell zu einem Kilopreis von rund 60 Cent erwerben kann.

Das hat aber die österreichische Landwirtschaftsministerin Köstinger nicht davon abgehalten, wieder einmal gegen den Agrarstrom zu schwimmen. Nachdem einige Wochen über die wirtschaftlich notwendige und sinnvolle Schließung einer Zuckerfabrik in Leopoldsdorf diskutiert wurde, sah sie ihre Stunde gekommen: Sie lud alle Beteiligten ein mit dem Ziel, die heimische Zuckerproduktion zu retten. Und so kam es, wie es kommen musste: Am 17. September unterzeichneten Ministerium, Landwirtschaftskammer, der Agrana-Konzern und Vertreter der Rübenbauern einen „Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers“.

Dauertropf der Subventionen

Hinter diesem pathetischen Titel verbirgt sich nichts anderes als ein weiteres millionenschweres Hilfspaket, mit dem wieder einmal ein Agrarsektor an den Dauertropf der Subventionen und Förderungen gehängt wird. Dass damit in Wahrheit das Ende nur teuer hinausgezögert, aber niemals verhindert werden kann, ist wohl jedem klar. Fürs Erste fließt jedenfalls jetzt einmal Geld: 250 Euro pro wieder angebautem Hektar (es geht um einige 10.000 Hektar Fläche). Zudem gibt's zusätzliche Forschungsgelder. Die Agrana als Betreiber der zur Diskussion stehenden Zuckerfabrik verpflichtet sich zur Abnahme der so subventionierten (und damit wohl billigen) Zuckerrüben.

Zudem ermöglicht dieser „Rübenpakt“ auch noch die Notfallzulassung von sogenannten Neonicotinoid-haltigen Pflanzenschutzmitteln. Das sind ausgerechnet jene Pflanzenschutzmittel, die zum bekannten Bienensterben besonders stark beitragen. Aber wenn es um die Interessen der österreichischen Rübenbauern und des Agro-Konzerns Agrana geht, scheint selbst bei einer Bundesregierung mit grüner Beteiligung das Bienensterben plötzlich zu einer verhandelbaren Sache zu werden.

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