Der österreichische Dichter Ernst Herbeck mit dem Arzt Leo Navratil im Haus der Künstler in Maria Gugging, 1982.
Spectrum

Ernst Herbeck zum 100. Geburtstag: „Die Muttersprache ist schön und barsch“

Die Gedichte des Gugginger Dichters Ernst Herbeck, der an schizophrener Psychose litt, wurden neu aufgelegt – ergänzt um unveröffentlichte Texte aus seinem Nachlass.

Ernst Herbeck, der an schizophrener Psychose litt und ebenso an einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, gab in einem „Fragebogen“ zum Thema „Beruf“ selbstbewusst an: „Schriftsteller.“ Auf die Frage „Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?“ antwortete er: „Als kleiner Millionär.“ Millionen scheffeln oder gewinnen wollen viele, aber der „kleine Millionär“ ist eine Form der stillen Untertreibung gegenüber den medial hochgezüchteten Millionenshows und den Fernsehgeiseln à la Geissens-Family. Aus so manchem Gedicht Ernst Herbecks spricht zarte Ironie. Das hat auch sein behandelnder Arzt, Leo Navratil, bestätigt: „Vieles, was Herbeck schreibt, ist ironisch gemeint.“ Aber kann ein psychisch kranker Mensch bewusst Ironie ins Gedicht setzen oder gar den gelungenen Kalauer? – Herbeck konnte: „Ich will mehr zu den Nieren / Als später zu den Kanonieren.“

Ernst Herbeck, der zunächst unter dem Pseudonym „Alexander“ publizierte, ist sicherlich ein Phänomen innerhalb der deutschsprachigen Literatur: Trotz schwerer psychischer wie physischer Behinderung schaffte er es, als Dichter anerkannt zu werden. 1978 wurde er zum Mitglied der Grazer Autorenversammlung gewählt. Ein Jahr zuvor gelang es Leo Navratil, die erste Buchausgabe von Herbecks Gedichten herauszubringen. Als Primarius der Heil- und Pflegeanstalt Gugging war Navratil ein Glücksfall für psychisch Kranke. Er setzte auf Kunsttherapie und erzielte enorme Erfolge. Neben dem Dichter Herbeck konnte er Johann Hauser, Oswald Tschirtner und August Walla zum Malen bewegen. Ihre Zeichnungen und Bilder sind heute Teil der zeitgenössischen Kunst. „Art brut“ nennt man diese Form von autodidaktischer Kunst, die der französische Maler Jean Dubuffet erstmals umfassend zu sammeln begann.

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