Interview

Eisige Zeiten im Mittelalter

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Im Mittelalter gab es eine kleine Eiszeit. Wie konnte man damals, ohne Thermometer, Temperaturunterschiede erkennen?
 

Der Winter lässt sich nicht aufhalten, wie man am vergangenen Wochenende sehen konnte. Im Mittelalter gab es sogar einmal eine Zeit, die die Wissenschaftler kleine Eiszeit nennen. Wir haben mit Johannes Preiser-Kapeller vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gesprochen, wie die Menschen damals, ohne Thermometer, überhaupt Eiszeiten erkennen konnten.


Wann war diese kleine Eiszeit im Mittelalter? Und warum war sie klein?

Johannes Preiser-Kapeller: Sie hat von circa 1300 bis 1800 gedauert. Kleine Eiszeit heißt sie, weil sie im Verhältnis zu den anderen Eiszeiten, die über 1000 Jahre gedauert haben, nicht sehr lang war.

Was bedeutet Eiszeit genau?

Die Temperaturen waren zu dieser Zeit im Durchschnitt ein bis drei Grad niedriger, als sie es in den Jahren davor waren.

Wie konnten die Menschen Temperaturunterschiede erkennen? Es gab ja um 1300 noch kein Thermometer.

Das stimmt, das Thermometer wurde erst vor rund 500 Jahren erfunden. Das Sinken der Temperatur hat man im Mittelalter an verschiedenen Dingen erkannt. Es sind zum Beispiel gewisse Obstsorten, die bis dahin in bestimmten Gegenden angebaut werden konnten, erfroren. Oder die Gletscher sind größer geworden. Heute können Wissenschaftler die Temperaturveränderungen an den Jahresringen von Bäumen nachweisen. Sind die Ringe näher zusammen, hatte der Baum keine guten Bedingungen, um zu wachsen. Sprich, es war ihm zu kalt. Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen, nennt man Dendrochronologen.

Wie können Dendrochronologen heute etwas über das Mittelalter herausfinden?

Es gibt zum Beispiel bei alten Bauwerken Holzbalken, die noch aus dem Mittelalter stammen. Und dort können sie dann genau untersuchen, wie die Bedingungen für den Baum damals waren. Und es gibt in Griechenland auch Bäume, die 2000 bis 3000 Jahre alt sind. Da kann man aus dem Kern Proben herausbohren und so etwas darüber herausfinden.

War es eigentlich die ganze Zeit kalt?

Nein, zwischendurch konnte es richtig heiß werden. 1338 war es in Österreich sogar so heiß, dass es Heuschreckenschwärme gab. Die gibt es heute nur in sehr heißen Ländern wie Arabien oder Ostafrika.

(c) ÖAW

Wusstest du schon, dass...

Dendrochronologie sich aus den griechischen Wörtern dendron = Baum, chronos = Zeit und logos = Lehre, Wissenschaft zusammensetzt. Es geht darum, Jahresringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten Wachstumszeit zuzuordnen. ⫻ ÖAW

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2020)

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